Bostons Bürgermeister zieht einen Schlußstrich unter die Olympia-Bewerbung. Die sei zu teuer und habe zu wenig Zustimmung, so seine Begründung. Die Süddeutsche schreibt: „Warum Bostons Rückzug schlecht für Hamburg ist“. Die Frage steht im Raum: Wie kann eine Stadt wie Boston vor den Kosten zurückschrecken, wenn das in Hamburg total kein Problem sein soll? Dabei wird in den USA ein großer Teil der Kosten von Privaten und nicht vom Staat aufgebracht. In der Tat legt die Entscheidung von Boston die Meßlatte für Hamburg eher höher.
Beim NDR wird über die Bostoner Entscheidung berichtet: „Wenige Stunden vor der endgültigen Entscheidung hatte Bostons Bürgermeister Martin Walsh auf einer Pressekonferenz bereits erklärt, er werde eine geforderte Garantie-Erklärung zur Übernahme der Kosten nicht unterschreiben. „Wenn diese Unterschrift am heutigen Tag gefordert wird, um weiterzumachen, dann wird Boston die Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele nicht weiterverfolgen“, sagte Walsh. „Ich werde nichts unterschreiben, wodurch das Geld der Steuerzahler für die Kosten der Olympischen Spiele benutzt werden kann.“
Weiter teilt der NDR mit: „Um die Transparenz zu erhöhen, will das IOC am Freitag auf seiner Homepage erstmals einen Vertrag mit einer Gastgeberstadt veröffentlichen.“
Die Zustimmung in Boston lag bei nur 42 Prozent, daran hat sich über Monate nicht geändert. Die SZ schreibt mit Blick auf die Absagen: „Für das IOC ist das ein schlechtes Signal. Denn Boston war nicht irgendein Kandidat. Hier sagt kein kritischer Europäer ab, wo es mittlerweile als chic und Mainstream gilt, sich gegen Olympia zu wenden. Die USA sind das Sommerspiele-Land schlechthin, insbesondere auch, wenn es ums Geld geht. Im vergangenen Jahr hat das IOC den Vertrag mit seinem TV-Partner NBC, einem US-Sender, für annähernd acht Milliarden Dollar bis 2032 verlängert. Dort werden die Manager wenig begeistert sein, dass der Kandidat aus dem eigenen Land zurückzieht.“ Auch der Spiegel berichtet in diesem Sinn.
Die Absage von Boston kommt nicht überraschend, schon seit Wochen hat sie sich abgezeichnet. Nun könnte Los Angeles erneut ins Rennen für die USA gehen. Die Stadt hatte sich mit Boston zusammen als Ausrichterstadt für die USA beworben. Bis Mitte September muss die Bewerbung beim IOC angemeldet werden.
In der SZ heißt es zur derzeitigen Lage: „Kurioserweise sind damit vorerst nur noch Europäer im Rennen. Budapest, Rom, Paris und Hamburg haben ihre Bewerbungen angekündigt, auch wenn zumindest in Hamburg noch das finale Votum der Bevölkerung aussteht. Die Spiele könnten bereits 2024 auf den Olympia-kritischsten Kontinent zurückkehren – ausgerechnet für Hamburg ist dies in letzter Konsequenz aber ein schlechtes Zeichen.
Zwar ließe sich argumentieren, dass nach dem Rückzug Bostons ein starker Konkurrent weniger im Rennen sei. Jedoch werden sich auch in Hamburg die Leute fragen: Wollen wir wirklich die Spiele ausrichten, wenn sogar ein ausgewiesenes Sommersportland wie die USA einen Rückzieher macht? Welches Zeichen senden wir damit?“
Was auf den ersten Blick für die Hamburger Bewerbung als Vorteil angesehen werden könnte, kann aber auch zu vermehren Zweifeln in der Bevölkerung führen. Denn die Frage, wie eine sportbegeisterte Stadt wie Boston die vermeintlich große Chance nicht nutzen mag, dürfte auch hier von Interesse sein. Hinzu kommt die Begründung hinsichtlich der öffentlichen Kosten. Denn diese sind in den USA deutlich niedriger zu veranschlagen, als in Europa oder eben Hamburg und Deutschland, da dort ein großer Teil der Kosten ohnehin von der Wirtschaft getragen wird. Außerdem: Die Bostoner Bewerbung wurde ja vielfältig mit der Hamburger Bewerbung verglichen. Vielleicht sogar mit dem Vorteil für Boston, dass über mehr Sportstätten in gutem Zustand verfügt.
Wie Hamburg und Deutschland also bei einer Finanzierung vor allem aus öffentlichen Mitteln, die strukturell höher liegen dürften, als in den USA, keine Probleme sieht, dürfte nun noch stärker als ohnehin schon, zu erklären sein.
Zur Bewerbungslage für Hamburg schreibt die SZ weiter: „Der Hansestadt werden für 2024 ohnehin wenige Chancen eingeräumt, da sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB) im gleichen Jahr aussichtsreich um die Austragung der Fußball-Europameisterschaft bemüht. Sommerspiele und EM im gleichen Land, das scheint ausgeschlossen. Die Bewerbung für 2024 gilt vielen als Vorlauf, bevor es 2028 richtig ernst wird. Dann soll Hamburg wirklich den Zuschlag erhalten. Landen die Spiele 2024 jedoch bereits in Europa, wird das IOC die Spiele 2028 kaum erneut nach Europa vergeben. Hamburg wäre abermals ohne Chance – es ist eine vertrackte Situation.
So müssen die Hamburger hoffen, dass sich drüben über dem großen Teich noch etwas tut. Die kanadische Stadt Toronto prüft derzeit eine Bewerbung, nach dem Rückzug Bostons sind zudem aus Los Angeles positive Signale zu vernehmen. „Ich glaube nach wie vor daran, dass Los Angeles eine ideale Olympia-Stadt ist“, sagte Bürgermeister Eric Garcetti am Montag.“
Die Linksfraktion in Hamburg regiert mit dieser PM: Olympia: Von Boston lernen. Presseerklärungen von FDP, CDU, SPD, den Grünen oder dem Senat hat es offenbar laut Hompepages nicht gegeben.
Man beachte das psychologische Moment: vor Jahren war es ein fragloser (nationaler) Prestigegewinn, Ausrichter zu sein. Seit Kurzem lehnen wohlhabende Städte und Regionen dankend ab. Das entwickelt eine Dynamik, die jetzt noch unterschätzt wird m.E.. Es ist wie wenn: die „Vordenker“ eine In-Kneipe nicht mehr in finden. Da ist in wenigen Wochen leer! Für die OS kann es gut sein, dass sie in dieser Form einfach verschwinden, wenn das Interesse auf diese Weise ins Bodenlose sackt. Wenn OS Spiele eine exklusive Veranstaltung in totalitären Staaten werden, gibt es bald keine Sponsoren und keine Erlöse für Übertragungsrechte mehr. Ich wäre nicht traurig. OS sind ein weiteres Instrument der zunehmenden Segregation: Umverteilung der Gelder von Steuerzahlern und Konsumenten zu undurchsichtigen Funktionärscliquen und Sponsor-Konzernen, wachsende Kluft zw. wenigen (gedopten) Hochleistungssportlern und immer mehr Passiv-Sportlern vor dem Fernseher. Unsere Kinder brauchen Vorbilder, aber nicht solche selbstzerstörerischen Egomanen, überhöht und verzerrt in einem Parallel-Universum der zunehmend aufgeblasene Sportberichterstattung.