Schreckliche Wirtschaft – „Eigennutz als neue olympische Disziplin“

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Oder auch nicht? Welche Folgen hat Olympia für den Hafen?

„Eigennutz als neue olympische Disziplin“, schreibt die Welt und: „Hamburgs Wirtschaft freut sich auf die Austragung der Olympischen Spiele 2024 – aber offenbar nur unter der Bedingung, dass sie möglichst ohne Einschränkung davon profitiert. Eine Analyse.“ Darin stellt Olaf Preuß fest: „Die Hafenwirtschaft äußerte von Beginn an Bedenken gegen die Austragung von Olympischen Spielen im östlichen Hafenbereich, auf dem Kleinen Grasbrook. Mittlerweile hat sie ein Problem. Seit im Juni ein internes Diskussionspapier des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg (UVHH) durchgesteckt worden war, das manche Medien als ,Ultimatum‘ an den Senat interpretierten, kommt die Branche hinter den hässlichen Begriff nicht mehr zurück.“

Nun könnte man fragen: Wieso hat die (östliche) Hafenwirtschaft jetzt ein Problem? Welches denn? Ist nicht vielmehr das Problem, dass die Olympia-Planer nun ein Problem haben?

Für die Welt eröffnet sich „eine neue Ebene bei der spannenden Debatte um Olympia“ und sie stellt fest: „Mehr und mehr wird im Kontext des historischen Projektes der Eigennutz von Akteuren sichtbar“. Nun ist man im ersten Moment ja geneigt, sich zu freuen, dass auch in der Welt diese eigennützigen Motive aufgegriffen werden. Zumal richtigerweise auch noch festgestellt wird: „Man kann aus sehr guten Gründen gegen die Austragung der Olympischen Spiele in Hamburg sein, zum Beispiel getrieben von der Furcht, dass das Mietpreisniveau in der Hansestadt aus der Perspektive durchschnittlich verdienender Menschen in bedrohliche Höhen steigt. Man kann argumentieren, dass Hamburgs regionale Verkehrsinfrastruktur auch ohne die Spiele – bedingt durch Engpässe und jahrelange Sanierungsarbeiten – bereits jetzt an der Grenze der Belastbarkeit steht. Es ließe sich bezweifeln, ob die Stadt ihr erhofftes Olympiafest finanziell tatsächlich wird verkraften können.“

Mietpreisniveau, Verkehrsinfragstruktur und vor allem die Frage, wie Hamburg den Olympia-Wahnsinn mit Schuldenbremse bewältigen will. Das ist schon mal gut, aber nicht weiter das Thema. Insgesamt ist die „Analyse“ eher ein Ärgernis, denn im Kern ist sie nichts anderes als ein Aufruf zur „Olympia-Räson“. Da sollen doch bitte einige Wirtschaftsvertreter aus dem Hafen nicht das gute Gesamt-Geschäft mit egoistischen Vorteilsabsichten aus den Augen verlieren. Faktisch empfiehlt der Autor Preuss Teilen der Hafenwirtschaft, doch bitte keine Zicken zu machen und verdeutlicht das am Beispiel der Grünen. Wenn die sich nun mühen, für die Austragung der Spiele ohne zu nörgeln tolle nachhaltige Vorschläge zu machen, dann solle man doch bitte nicht mit vorgestanzten Argumenten diese gleich niedermachen.

Was Olaf Preuss als Analyse bringt, beginnt mit der These: „Bei den Hafenunternehmen kann es kaum einen Zweifel daran geben, dass der Bau von Sportstätten im östlichen Hafenbereich auch für den kommerziellen Hafenbetrieb enorme Chancen birgt. Denn Olympia schafft einen kreativen Zwang, Infrastrukturprojekte zu beschleunigen, politisch und administrativ. Das bedeutet, das die Erneuerung des Hafens mit vereinten Kräften viel erfolgreicher vollzogen werden könnte als im ,Normalbetrieb‘. Wozu also das Getöse bei Mitgliederversammlungen der Hafenwirtschaft? Weil mancher sich davon erhofft, die eigene Position zu verbessern im künftigen Ringen ums Olympische Geld.“

Nun wäre ja zu fragen: Wie kommt die Welt darauf, dass es für den gesamten Hafen nur Vorteile gibt? Kein einziges Argument wird angeführt. Selbst das HWWI meinte noch vor einiger Zeit, dass die Olympia-Effekte kaum aufzeigbar wären. Sicherlich werden einige Vorteile haben, anderen im Hafen dürfte es herzlich egal sein und wiederum andere könnten auch Nachteile Der Autor unterstellt ein Kollektiv, das es so offenbar nicht (mehr) zu spüren bekommen. Olympia führt im Hafen zu massiven Konflikten, die auch mit der Frage zu tun haben, wie geht es weiter? Olympia stellt – wie auch schon früher in der Welt selbst festgestellt – einen Jahrhundertumbau dar. Eines der Zentren dafür ist der Hafen und der viel beschworene „Sprung über die Elbe“. Der Grasbrook soll den Hafenunternehmen abgerungen werden, Wohnbebauung rückt näher an die Betriebe ran. Dabei läßt der Zeitrahmen, in dem nun gravierende Fragen einer weiteren Entwicklung von Hamburg, seiner Stadtteile und des Hafens diskutiert und geplant werden (müssen), kaum Möglichkeiten für eine vernünftige Debatte und Abwägung von Interessen, von Risiken und Chancen.

Genau darauf verweist der Welt-Artikel, wenn davon die Rede ist, dass jetzt jenseits des „Normalbetriebs“ viele Dinge durchgesetzt werden können, die sonst viel länger brauchen würden und möglicherweise dann auch anders oder gar nicht kommen würden. Olympia ist also auch eine Art Brandbeschleuniger – für soziale, aber auch wirtschaftliche Interessen, wie es hier schon mal zu lesen war:

Doch genau mit diesen Widersprüchen und unterschiedlichen Interessen setzt sich Preuss nicht weiter auseinander. Dafür wäre eine Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Problemen notwendig: Wer gewinnt und wer verliert bei Olympia? Wem nützt Olympia und wem schadet Olympia? Das HWWI hatte schon vor einiger Zeit im Zusammenhang mit der Bewerbung festgestellt: „Aufwertung von Flächen ist dabei immer ambivalent, denn sie löst immer auch Verdrängungsprozesse aus“.

Verdrängungsprozesse? Das muss nicht immer nur alteingesessene MieterInnen mit begrenzten finanziellen Möglichkeiten bedeuten. Verdrängung betrifft ja auch viele kleine Gewerbetreibende, die sich ihre Hinterhof-Werkstätten angesichts der Preisentwicklung in innerstädtischen Räumen ebenfalls immer weniger Leisten können. Und Verdrängung kann eben auch Hafenunternehmen treffen. Klar, geht es da auch um betrieblichen Eigennutz, doch vielleicht steckt da auch noch mehr dahinter? Immerhin ist ja auch die Frage der Wohnbebauung auf dem Olympiagelände ein heftig umstrittenes Thema, das für die Hafenwirtschaft auch jenseits des Grasbrooks von Bedeutung ist. Wirtschaftlichen Interessenvertretern Eigennutz vorzuwerfen, ist kein Sonderfall bei Olympia, sondern immer richtig.

Was die Welt und Olaf Preuß jetzt anprangern, geht von einem idealistischen Gesamtbild einer Wirtschaft aus, die vor allem das Wohl Hamburgs im Sinn hat und erst dann an sich selbst denkt. Außerdem wird unterstellt, dass Olympia für Hamburg und für alle, die in dieser Stadt leben, am Ende nur Vorteile hat. Hallo? Aus welcher Traumwelt ist das denn? Genau das ist doch der Streit, der um diese Bewerbung geführt werden muss! Es geht darum, Interessen zu diskutieren, diese deutlich zu machen und dabei stellt man dann eben auch fest: Diese Interessen sind angesichts eines derart umfangreichen Umbaus für die Olympia-Bewerbung und angesichts der Vielzahl betroffener Akteure ziemlich vielfältig, unterschiedlich, entgegengesetzt und widersprüchlich. Und natürlich gibt es – viel zu viele – die mit dieser Bewerbung ein richtig gutes Geschäft machen wollen und einige versuchen sogar, aus ihrer besonderen Betroffenheit mehr rauszuschlagen.

Damit stehen die im Artikel nicht weiter genannten Betriebe auf dem Kleinen Grasbrook nun wahrlich nicht allein da. Natürlich ist Gunther Bonz ein Wirtschafts- und Unternehmens-Lobbyist. Nur seit wann hält man es in der Welt nicht mehr für berechtigt, wenn Hafenunternehmen klare Ansagen vom Hamburger Senat verlangen, wie es denn für sie weiter gehen soll?

Damit das hier keiner falsch versteht: Es geht mir hier nicht darum, die Interessen von Teilen der Hafenwirtschaft zu bewerten und sie als richtig oder falsch einzuordnen. Es geht darum, die „Anlayse“ der Welt zu kritisieren, die versucht, vor dem idealistischen Bild einer Gesamt-Idealen-Wohlfahrt widersprüchliche Interessen als Eigennutz zu diffamieren. Auf die gleiche Weise kann man auch die Sorgen vor Mietsteigerungen einiger nicht so gut verdienender Menschen abbügeln.

Die Welt: Friede den Hütten – Krieg den Palästen?

Preuß erinnert an die Debatte um die Airbus-Erweiterung im Mühlenberger Loch. „Die vergrößerte Flugzeugwerft ist heute eine Säule der Hamburger Industrie, doch damals war Finkenwerder Schauplatz eines erbitterten politischen und juristischen Streits.“ Der berechtige Widerstand von betroffenen Bauern auf der südlichen Elbe wurden von den reichen Kaufleuten am nördlichen Ufer bezahlt, so Preuß: „Viele Schecks zur Finanzierung von Gerichtsverfahren und politischen Kampagnen aber wurden ihnen heimlich von der nördlichen Elbseite zugesteckt, von Hamburger Kaufleuten, die mit Industrie und Handel in der Hansestadt reich geworden waren. Den A380 in der Einflugschneise jedoch, den wollten sie lieber nicht über ihre Villen hinweg nach Hamburg schweben sehen.“

Was genau aber sagt das aus? Doppelzüngige Kaufleute? JA. Von Gemeinwohl reden – und den eigenen Vorteil meinen? Ja. Aber – das zeigt dann ja dieses Beispiel: Das gilt eben fast immer und überall. Also auch bei Olympia!

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