Während die Bürgerschaft heute den Weg für das im November geplante Olympia-Referendum frei gemacht hat, hat sich der BUND Hamburg nun erstmals in einer Stellungnahme umfangreich zur Olympia-Bewerbung geäußert und stellt fest: „Für die kurze Phase der Sportereignisse sind weitgreifende städtebauliche Maßnahmen vorgesehen, die auch zu einer erheblichen Belastung für Natur, Umwelt und Klima führen. Derzeit steht der BUND Hamburg der Olympia-Bewerbung mit Skepsis gegenüber.“
- Die Stellungnahme es BUND Hamburg ist als PDF-download hier oder hier.
Weiter heißt es in der Stellungnahme: „Bereits in der Vergangenheit haben die verantwortlichen Senate umweltrelevante Planungsvorgaben unter Zeit- und Finanzdruck missachtet bzw. sind ihren gesetzlichen Verpflichtungen zur Kompensation nicht oder nicht ausreichend nachgekommen. Der Eingriff in das Mühlenberger Loch, die Genehmigung des Kohlekraftwerks Moorburg, die Planung der Elbvertiefung oder auch die Internationale Gartenschau (IGS) sind hier markante Beispiele.
Zu beachten sind auch Erfahrungen an anderen Austragungsorten von Olympischen und Paralympischen Spielen. London 2012 gilt zwar als Meilenstein für nachhaltige Spiele, es wurden aber mehr als 50 % der ursprünglich geplanten 76 Nachhaltigkeitsmaßnahmen (One Planet Living Principles) nicht oder nicht ausreichend umgesetzt.
Die Skepsis des BUND Hamburg gründet insbesondere auf folgende Punkte: Es ist derzeit nicht erkennbar, wie und zu Lasten welcher Flächen eine Umsiedlung der Unternehmen, die derzeit auf dem Kleinen Grasbrook wirtschaften, erfolgen soll. Flächen im Hafen sind bereits jetzt knapp, es stehen auch ohne Olympia weitere Eingriffe zu Lasten der Natur an (Altenwerder-West, Westerweiterung Eurogate). Selbst die Hafenwirtschaft hat dem Senat vorgeworfen, sich nicht an Absprachen bzgl. Flächeninanspruchnahme und Zeitpläne für die Umsiedlung zu halten.
Laut der Vereinbarung vom 05. Februar 2015 zwischen HPA und HHLA ist auf Wunsch der HHLA auch eine Umsiedlung auf Flächen außerhalb des Hafennutzungsgebietes möglich. Es ist somit eine Inanspruchnahme von Freiflächen und ökologisch wertvollen Hafenbecken absehbar. Die aktuellen Auseinandersetzungen bis hin zu einem Ultimatum der Hafenwirtschaft über die Umsiedlungspläne und eine dauerhafte Wohnbebauung auf dem Kleinen Grasbrook unterstreichen unsere Sorgen.
Bei der Konzeption eines neuen Stadtteils auf dem Kleinen Grasbrook, bei der Olympia nur eine Zwischennutzung darstellt, ergeben sich zwangsläufig erhebliche Zielkonflikte. Insbesondere der hohe Kosten-, Zeit- und Refinanzierungsdruck lässt es derzeit fraglich erscheinen, ob tatsächlich ein moderner, klimaneutraler und weitgehend autofreier Stadtteil mit einer gemischten Nutzung und Sozialstruktur entstehen wird.
Bereits mit Drucksache 20/11848 vom 21. Mai 2014 hat die Bürgerschaft den Senat aufgefordert, bis zum Herbst 2014 die Auswirkungen auf den Haushalt, die sich aus Bewerbung und Umsetzung ergeben, vorzulegen. Dies ist nicht geschehen. Die Erfahrungen aus vorangegangenen Spielen zeigen, dass die tatsächlichen Kosten zu meist deutlich höher ausfallen und ggf. die Öffentliche Hand einspringen muss. Dies birgt das Risiko, dass entsprechende Haushaltsmittel aus anderen Bereichen (Naturschutz, Förderprogramme Klimaschutz, Unterhaltung öffentlicher Grünanlagen etc.) abgezogen werden.
Trotz zahlreicher Kritikpunkte und möglicher negativer ökologischer und fiskalischer Folgen für die Stadt hat der Senat einen Abstimmungstext für das Olympia-Referendum am 29. November 2015 vorgelegt, der keinerlei Bedingungen zur Finanzierung und umweltgerechten Durchführung formuliert. Eine solche reine „Ja“ oder „Nein“ Befragung wird dem Thema und den absehbaren Folgen für die Stadt und ihre Bürger nicht gerecht.“
Im weiteren nennt der BUND Hamburg „zentrale Punkte für Hamburger Bewerbung“ (weiter lesen hier oder beim BUND Hamburg). Neben Forderungen zur Strategischen Umweltplanung nimmt der BUND zu den Themenfeldern Flächenutzung, Natur- und Artenschutz, Klimaneutralität, den ökologischen Anforderungen an einen Stadtteil Olympic City und zum Flugverkehr Stellung.
Unter anderem stellt der BUND fest: „Die Unternehmen, die derzeit auf dem Kleinen Grasbrook wirtschaften, sollen umgesiedelt werden. Es ist daher vor dem Referendum aufzuzeigen, auf welche Flächen die Umsiedlung erfolgen soll und welche Kosten damit verbunden sind. Flächen, die derzeit im Landschaftsprogramm nicht für Siedlungszwecke vorgesehen sind oder sich durch eine naturschutzfachliche Wertigkeit auszeichnen, dürfen nicht herangezogen werden. Ein Zuschütten von Hafenbecken wird vor dem Hintergrund ihrer Bedeutung für die Fischfauna der Elbe und als notwendiger Flutraum (Stichwort Tidalpumping) abgelehnt.“
Und zum Natur- und Artenschutz heißt es: „Natur- und Artenschutz: Bei der Inanspruchnahme des Kleinen Grasbrook und anderer Austragsorte (z. B. Eißendorfer Forst, Dove Elbe, Elbpark Entenwerder) bedarf es einer fachlich fundierten Bestandsaufnahme und einer umfassenden, zeitnahen und flächenbezogenen Kompensation der ökologischen Schäden. Sollte ein flächenbezogener Ausgleich nicht möglich sein, ist die Planung abzulehnen. Alle Kompensationsmaßnahmen sind bzgl. ihrer Funktionsfähigkeit einem Monitoring zu unterziehen. Das Thema Flächenversiegelung für Besucherparkplätze und für die Ver- und Entsorgung spielt eine besondere Rolle. Es darf keine zusätzliche Versiegelung geben (netto null). Temporäre Anlagen müssen gesichert vollständig zurückgebaut werden.“
Neben Forderungen zur „Kostentransparenz“ fordert der BUND ein „faires Olympia-Referendum“. Dazu heißt es: „Für das Referendum sollten sich die Akteure der Stadt auf faire Spielregeln zu verständigen. Ansonsten droht vor dem Hintergrund massiver Wirtschaftsinteressen an der Olympia-Bewerbung eine einseitige Werbeschlacht zugunsten des Olympia-Events. Hier steht insbesondere die Handelskammer in der Pflicht, für eine sachliche Auseinandersetzung zu werben.“
Insbesondere wird kritisiert: „Der BUND hält eine einfache Ja/Nein-Befragung in Anbetracht der komplexen Herausforderungen für nicht ausreichend. Es muss klare Kriterien und eine belastbare politische Zusage geben, unter welchen Bedingungen ein Ausstieg aus der Bewerbung erfolgt.“
(*) Der Autor ist Mitglied im Landesvorstand des BUND Hamburg.
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