von Sybille Bauriedl Die Feuer und Flamme für Hamburg GmbH mit Sitz in der Handelskammer Hamburg verbreitet im Internet www.wir-sind-feuer-und-flamme.com und an öffentlichen Orten seine Werbematerialen. Zur Zeit kursiert u.a. ein Flyer mit dem Titel „Wir sind Feuer und Flamme, weil Hamburg nur gewinnen kann.“ Und wie diese Gewinne aussehen, wird bei genauer Lektüre klar. Die Handelskammer und der Hamburger Senat versuchen den Hamburger_innen Stadtentwicklungsprojekte unterzujubeln, die ihrer Vorstellung einer international wettbewerbsfähigen und wachsenden Metropole entsprechen. Aktuelle Probleme einer sozial ausgrenzenden Stadt werden mit der Olympia-Bewerbung nicht angegangen.
Hamburg präsentiert sich weltweit mit seiner Schönheit, der Offenheit und Freundlichkeit seiner Bewohner. „Hamburg lädt die Welt zu sich ein – und jeder gewinnt.“ Was von dieser Aussage zu halten ist, hängt davon ab, wer oder was „Hamburg“ ist. Die Stadt selbst kann sich ja kaum präsentiert. Wer aber führt die „Offenheit der Bewohner“ vor? Sind es Handelskammer und Senat? Und wer ist mit den freundlichen Bewohnern gemeint? Nur die Hamburger Wahlberechtigten, die beim Referendum für die Olympiabewerbung gestimmt haben werden?
Eine weitere Frage muss sein, wer hier so herzlich willkommen geheißen soll. „Hamburg lädt die Welt zu sich ein.“ Momentan leben viele Menschen in Hamburg, die nicht gastfreundlich behandelt werden. Wird „Hamburg“ seine Willkommenskultur bis 2024 verändert haben?
Olympia + Hamburg = Nachhaltigkeit?
Der Innen- und Sportsenator gibt es unumwunden zu: im Vordergrund steht nicht das Großsportevent – das ist ja nach zwei mal zwei Wochen wieder vorbei – sondern der langfristige benefit für die städtische Infrastruktur. Die Ko-Finanzierung der Olympiastätten und deren notwendige Infrastruktur aus Bundesmitteln soll als Investitionsbeschleuniger dienen. „Olympia wird einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung unserer Stadt leisten.“ Wohin soll hier weiterentwickelt werden? Die Ziele werden mit positiven und gleichzeitig vagen Begriffen umnebelt: „smart, nachhaltig, menschlich“. Nachhaltigkeit meint hier nicht lokalen Umweltschutz oder internationale Verteilungsgerechtigkeit, sondern die dauerhaft sinnvolle Nachnutzung der Sportstätten. Klar sollte eine Stadt nicht in Anlagen investieren, die für ihren Bedarf überdimensioniert sind. Das ist ökonomisch vernünftig. Nachhaltigkeit in diesem Sinne bedeutet: verpulvere nicht das Kapital zukünftiger Generationen. Was ja wohl selbstverständlich sein sollte. Lässt sich damit noch ein Blumentopf gewinnen oder gar ein bisher skeptische_r Hamburger_in? Was ist mit einem Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung, der die Umweltqualität der Stadt und die Lebensqualität der Bewohner_innen deutlich verbessert?
Olympia + Hamburg = smart city
Für die meisten Hamburger_innen neu ist der ganz freundlich daherkommende Begriff „smart“. Was könnte ein smartes Olympia-Konzept sein? Es geht um die digitale Vernetzung und Steuerung städtischer Infrastruktur, das über die Spiel hinaus genutzt werden soll. Das fängt bei der Verkehrsleitung an und geht weiter bis zu den Ver- und Entsorgungssystemen aller Haushalte und des öffentlichen Raums. Und das bedeutet nicht nur Vernetzung von digitalen Informationen zur Effizenzsteigerung sondern auch das Sammeln und Kontrollieren dieser Daten. Die Hamburger Wirtschaftsbehörde hat mit dem britischen IT-Konzern Cisco International im April 2014 ein Memorandum unterzeichnet, in dem Pilotprojekte für Verkehrsdienstleistungen der Stadt, die Hafeninfrastruktur (Smart Port) und die Infrastruktur der Hafen City vereinbart wurden. Damit werden kommunale Versorgungsdienstleistungen privatisiert und die Überwachung des öffentlichen Raums an ein Unternehmen übertragen. Auch die Londoner Regierung hatte im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele 2012 Infrastrukturdienstleistungen durch Cisco bereitstellen lassen. Rio de Janeiro ist in Vorbereitung auf die FIFA-WM und die Olympischen Sommerspiele Teil des IBM Smarter City Challenge geworden. Die Hamburger Regierung – und allen voran Olaf Scholz – hat sich für das Projekt smart city entschieden und will, dies mit dem Infrastrukturausbau für Olympia vorantreiben.
Olympia + Hamburg = soziale Stadt?
Spätestens unter der Überschrift „inklusiv und sozial“ wird die Augenwischerei dann doch zu offensichtlich. Hamburgs Infrastruktur und seine Bürger_innen sollen auch durch den Paralympics langfristig gewinnen: „Der barrierefreie Ausbau aller Wege, Gebäude und Verkehrsmittel wird vorangetrieben. Das nützte auch Eltern mit Kinderwagen oder Buggy.“ Das klingt dann doch sehr nach dem bekannten Leitbild einer wachsender Stadt im Wettbewerb um einkommensstarke junge Familien. Ob eine Olympiabewerbung in einer Stadt mit sehr großen Einkommensunterschieden und anhaltenden Protesten für mehr Recht auf Stadt auch zu sozialer Gerechtigkeit führt, ist in der Feuer und Flamme Kampagne bisher nicht zu erkennen.
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Das Wort Nachhaltigkeit bedeutet nichts mehr. Heutzutage sind die dicksten BMWs und olympische Spiele „nachhaltig“. Es ist zu einem politisch korrekten Modebegriff geworden, der bei Olympia solange erwähnt wird, bis es in der öffentlichen Wahrnehmung nachhaltig ist ohne wirklich nachhaltig zu sein.
Wie sich die Leute veräppeln lassen ist besonders eklatant in diesem Beispiel. Die schönen Bildchen zeigen eine Insel die zu 80% mit olympischen Sportanlagen und Freiflächen belegt wird. Nur die Wohnanlagen werden eine regelmäßige Nachnutzung erhalten. Der Rest wird selten wenn überhaupt benutzt. Man baut sich also für zig Milliarden eine Geisterinsel und redet von „Nachhaltigkeit“ und „Sprung über die Elbe“.
Wie schwierig Stadtentwicklung ist, selbst wenn man alles vollbaut, sieht man an der HafenCity. Die Olympia-Geisterinsel zeigt was der Nachhaltigkeitsbegriff wirklich bedeutet: koste es was wolle die Spiele erhalten, die in dieser Form auf Dauer nicht erhalten werden können.
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