Jede Menge Budenzauber – zur „Vision“ der Olympic City

Kleiner Grasbrook heute. Wo geht es hier nach Olympia? Foto: S. Bauriedl

Stop. Der Kleine Grasbrook heute. Foto: S. Bauriedl

Nach der gestrigen Präsentation der Pläne für den geplanten Stadtteil „Olympic City“ bleibt vor allem ein berühmter Satz Helmut Schmidts hängen: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“.

Das, was Kees Christiaanse vom Architekturbüro KCAP aus Rotterdam (zusammen mit Nikolaus Goetze von gmp-Architekten) vorgestellt hat, war so fancy und dabei so unkonkret, dass nicht wenige Besucher/innen die Veranstaltung mit Kopfschütteln verlassen haben. Insgesamt war die Stimmung alles andere als euphorisch. Kein Wunder bei all dem Budenzauber, der für mehr Verwirrung gesorgt als Information geboten hat. Aber der Reihe nach.

Beginnen kann ich nicht am Anfang, da die Veranstaltung zwischenzeitlich so voll war, dass es keinen Einlass mehr gab. Für mich begann die Präsentation beim umständlichen Vortrag von Daniel Luchterhand, der die Ergebnisse der so genannten Bürgerwerkstatt zur Olympic City vorgestellt hat und über Allgemeinplätze, wie: „zu prüfen ist das Verhältnis zwischen Wohnen und Gewerbe“ nicht hinaus kam. So wie überhaupt noch sehr viel „zu prüfen ist“ und alles – von den Kosten bis zur Umsetzung – flexibel zu sein scheint.

Interessanter wurde es, als die Staffel an den niederländischen Architekten Christiaanse übergeben wurde. Seine Vision ist: „Auf dem Kleinen Grasbrook entsteht die neue Ökonomie von morgen“, indem das „Hafengebiet zum Stadtentwicklungsgebiet“ wird, ein „Inkubator“ für das kreative Gewerbe. Referenz sind „lineare Parks“, was lange Schläuche mit ein wenig Grün sind. Referenz sei hier die „gelungene Hafencity“.

Im Anschluss wollte der Architekt der Öffentlichkeit vermitteln, wie nun das Olympiastadion, das olympisches Dorf, die Schwimm- und Olympiahalle auf dem 130 Hektar großen Gelände verteilt werden könnten. Die Betonung liegt hier auf „könnten“, denn im Speed-Durchlauf wurden vier Varianten von verschiedenen Stadionansammlungen präsentiert, wobei wie bei Playmobil alles auch noch woanders stehen könnte. Nur so viel: Bei Szenario A & C wächst das Olympische Dorf über den Moldauhafen hinaus, bei Szenario B & D ballt es sich kompakt auf dem südlichen Teil der Insel. Wo die „Venues“ (Wettkampfstätten) genau hinkommen, wird in einem „kreativen Prozess“ zu entwickeln sein. Und weiter im Programm. Husch, husch, „Problem Eisenbahnriegel“, husch „Herausforderung Verkehrsanbindung“ und husch die „Abriegelung durch Sicherheitsschleusen“.

Dann wusste der Architekt noch von einer „gewissen Empfindsamkeit“ in Bezug auf das historische Erbe zu berichten, auf das eingegangen werden müsse, ohne genauer zu benennen, was damit gemeint sei. Für alle, die sich gefragt haben, worum es sich handelt: Auf dem Kleinen Grasbrook befindet sich am Dessauer Ufer das Lagerhaus G, das 1944/45 als Außenlager des KZ Neuengamme genutzt wurde. Von Mitte Juli bis September 1944 waren 1500 weibliche Gefangene als Zwangsarbeiterinnen hier eingesetzt worden. Am 13.9.44 wurden die inhaftierten jüdischen Frauen in die Außenlager Neugraben, Sasel und Wedel verlegt und 2.000 männliche Gefangene wurden auf die Veddel gebracht. Bei einem Bombenangriff der Alliierten wurde das Lager zu einem Großteil zerstört, schätzungsweise 150 Häftlinge kamen dabei ums Leben.

Die Frage, die sich nun rund um die Olympia-Planungen des Senats stellt: Wie wird diese historische Stätte, an die bisher nur kleine Hinweisschilder erinnern, in das Stadtentwicklungs-Konzept mit einbezogen? Das Lagerhaus G ist in Privatbesitz und kann nur auf Anfrage besichtigt werden. Die tiefen Risse im Gebäude zeigen, in welch schlechtem Zustand das denkmalgeschützte Haus ist. Würde dort – so wie es Überlebende schon lange fordern – eine Gedenkstätte für die Opfer entstehen? Wie will der Senat diesen Gedenkort für Besucher/innen zugänglich machen?

Besonders brisant daran ist, dass es bei den letzten Olympischen Spielen auf deutschem Boden – 1972 in München – zu einem Attentat kam, bei dem elf israelische Sportler ums Leben gekommen sind. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass Hamburg Austragungsort Olympischer Spiele werden würde, läge hier eine besondere Verantwortung sowohl dem Gedenken an das Attentat von München als auch dem Gedenken an die jüdischen Zwangsarbeiter/innen auf der Veddel gerecht zu werden.

Der schlechte Zustand des Lagerhaus G zeigt, dass hier Handlungsbedarf ist, um den Gedenkort zu erhalten. (Foto: Licetbovi)

Der schlechte Zustand des Lagerhaus G zeigt, dass hier Handlungsbedarf ist, um den Gedenkort zu erhalten. (Foto: Licetbovi)


Mitten im Logistik Zentrum des Olympischen Dorf liegt das ehemalige KZ-Außenlager.

Mitten im Logistik Zentrum des Olympischen Dorf liegt das ehemalige KZ-Außenlager von Neuengamme Veddeler Damm.

Zurück zu den vorgestellten Plänen und den vier Varianten der Stadionansammlung. Hier war sicherlich die Rückmeldung von Gunther Bonz vom Unternehmerverband der Hafenwirtschaft interessant. Der zeigte sich überrascht, dass der vorgestellt Masterplan auch den Moldauhafen, den 50er Schuppen und weitere Bereiche umfasst, auf denen derzeit Hafenbetriebe angesiedelt sind, die nichts von ihrem Glück wussten, dass sie ebenfalls verplant werden. Die Hafenwirtschaft habe sich ja mit der Stadt geeinigt, aber da sei nur vom O’swaldkai und vom Überseezentrum die Rede gewesen. „Ob denn das so in der Ausschreibung drin gewesen sei und mit wem das abgestimmt wäre?“, war seine kritische Nachfrage, die – wie so viele andere Fragen – an dem Abend nicht beantwortet wurde.

Direkt auf den Input von KCAP folgte die Konkretisierung der Pläne vom Hamburger Büro gmp, vertreten durch Nikolaus Goetze. Er widmete sich der Frage: Wo positionieren wir die Stadien, damit sie als „Olympisches Erbe“ am besten zur Geltung kommen? Dabei brillierte gmp vor allem mit kryptischen Schichtmodellen von Stadien, die an naive Zeichnungen erinnerten. So können ganze Stadionstücke filetiert werden, damit in der Nachnutzung nicht nur „langweilige Leichtathletikstadien“ bei raus kommen können, sondern auch „attraktive Trendsportarten“ ihren Raum finden. Das alles – so die neuste Idee zum Olympiastadion – „umarmt von Wohnungsbau“. Der darf in einer von Wohnungsnot geplagten Stadt natürlich nicht zu kurz kommen, wobei Christiaanse in der Diskussion klar machte: „Man kann da nicht so einfach ein Wohngebiet draus machen, das fällt flach“.

Man wolle „in Visionen denken“, versprach auch Goetze. Für Erheiterung sorgte die Idee, dass man einen heliumgefüllten Ballon mit einer Aussichtsplattform verbinden könnte, die eine attraktive Sicht über den Hafen bieten würde. Das alles sei möglich und wäre von den Architekten auch schon geprüft. Dazu gab es eine Zeichnung bestehend aus einer schraffierten Wolke (vermutlich aus Helium), darunter ein langer Balken mit Punkten, der die „abgehängte Aussichtsplattform“ darstellen sollte. Toll! So visionär ging es schon lange nicht mehr zu in der Hansestadt. Ernüchternd nur, wenn dann wiederum für die Olympiahalle, die entweder hier oder dort sein kann, als Nachnutzung „Kreuzfahrtterminal“ vorgesehen ist. Gähn! Und auch die Schwimmhalle, die 17.300 qm groß sein wird und 12.500 Zuschauer/innen fassen soll, wird ein tristes nacholympisches Dasein fristen. 800.000 Menschen müssten die Halle jährlich nutzen, damit es sich trägt. Neben dem Schwimmbad gibt es einen „Rutschen Dome“ und eine Sauna, haben sich die Planer so gedacht – das „Aqua-Thema“ kombiniert mit „Freizeit-Lifestyle“.

Last but not least muss noch der sportliche Elan des Oberbaudirektors Jörn Walter hervorgehoben werden, der – wie es seine Aufgabe ist – vor allem „den Sport nach vorne bringen will“. In der Diskussion meldete sich z.B. eine Anwohnerin der Veddel zu Wort und bemerkte, dass sich die Pläne zur Olympic-City nur sehr indirekt auf die Veddel bezögen und dass dieser ärmste Stadtteil Hamburgs auffallend nicht präsent gewesen sei bei der Präsentation. Ihre Frage an Herrn Walter war: „Wie bauen Sie Brücken dahin?“ Seine Antwort: „Das mit der Veddel kann man kurz machen. Es ist ein Qualitätssprung für die Veddel“. Und sprang damit zur nächsten Frage weiter. Ähnlich erging es einem Vertreter des Rudervereins. Auf seine Frage, ob die Baumaßnahmen dazu führen werden, dass die Wasserwege des Hafenkreuz langfristig lahm gelegt werden, wusste Staatsrat Holstein nur zu sagen, dass man „verschiedene Varianten von Bauabläufen“ prüfe. Und so ging ein Abend voller Sprünge und „Visionen“ nach drei Stunden seinem Ende entgegen.

Ein Gedanke zu „Jede Menge Budenzauber – zur „Vision“ der Olympic City

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