Ökonomie der Aufmerksamkeit – Zur 3. Olympia-Stadtwerkstatt

Ein Gastbeitrag von Sybille Bauriedl

Am 7. Juli 2015 hat die dritte Stadtwerkstatt stattgefunden, in der es um die Planung der Standorte für die Trainings- und Wettkampfstätten für die Olympiabewerbung ging.

Durchgeführt wurde die Werkstatt von der gerade gegründeten Bewerbungsgesellschaft Hamburg 2024 GmbH und der Hamburger Stadtmarketingagentur Urbanista. Der Untertitel der Veranstaltung lautete „auf Dialog bauen“. Wie zu erwarten, ging es dabei nicht um einen ergebnisoffenen Dialog, sondern um den Stand einer von der Hamburger Regierung fest eingeplanten Bewerbung. Die Teilnehmer_innen der Stadtwerkstatt sollen zu deren Erfolg beitragen, unter dem zu Beginn formulierten Motto: „Wenn gute Ideen aus ihren Reihen kommen, sind wir gewillt diese aufzunehmen.“ Von der Moderatorin wurde diese Form der Bürgerbeteiligung „Kommunikations- und Lernprozess“ genannt.

Schöne neue Stadionwelt.

Schöne neue Stadionwelt.

Das Eingangsstatement des Sportstaatsrats diente primär der emotionalen Einstimmung, untermalt mit Fotos deutscher Olympiateilnehmer_innen vorausgegangener Spiele. Aufgerufen wurde eine nationale Erinnerungskultur mit Verweis auf Boris Beckers Sieg vor 30 Jahren in Wimbledon und die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland 1974: magische Momente, die mit den Veranstaltungsorten verbunden werden. Das sollen die Sportler_innen auch für Hamburg leisten. Und dafür müssen die olympischen Sportstätten den notwendigen Rahmen schaffen. Eine weitere spezielle Gelegenheit für das gewünschte Hamburger Standortmaketing sollen außerdem die Eröffnungs- und Abschlussshow bieten, wo sich Deutschland und Hamburg der Welt vorstellt kann. Der Staatsrat fordert mit diesen Argumenten dazu auf, nicht immer nur über Kosten zu reden, sondern über emotionale und Standortmarketingpotentiale durch Olympia. Diese ganzen großen Momente in Euros gegenzurechnen, erscheint da doch kleinlich und profan.

Für die verantwortlichen Veranstalter_innen steht der nicht bezifferbare Aufmerksamkeitsgewinn für Hamburg im Vordergrund. Mit Blick auf das anstehende Referendum und dem Ziel der Bürgerbeteiligung ist das jedoch ein vages Versprechen. Der Staatsrat erklärt zum Abschluss seiner Rede, dass die Hamburger Regierung die Bürger_innen ernst nimmt und diese ihre „Entscheidung auf Basis von Fakten treffen“ sollen. Aber was sind das für Fakten? Abgestimmt werden soll ganz offensichtlich über einen potentiellen Gewinn durch erwartete Emotionen. Die Pro-Olympiapolitik ist ein Paradebeispiel einer Ökonomie der Aufmerksamkeit, der hier ein größerer Stellenwert beigemessen wird als der Ökonomie des Geldes. Aufmerksamkeit wird als knappes, begehrenswerte Gut betrachtet, dessen Kapitalarten Prestige, Reputation, Prominenz und Ruhm sind (vgl. G. Franck: Ökonomie der Aufmerksamkeit, 1998).

Weiter ging es mit der Präsentation der geplanten Standorte für die Sportstätten durch die Planungsagentur Proprojekt und AS&P. Auch hier wurde die Kausalität der Olympiabewerbung klar gemacht. Es geht um Aufmerksamkeitsökonomie: Olympia sei wie 44 Weltmeisterschaften am gleichen Ort mit 3 Mrd. TV Zuschauern und bei den Paralympics nochmal 2 Mrd. TV-Zuschauer (es wurde konsequent in männlicher Form besprochen). Es geht um Olympia als Friedensfest: bei Olympischen Spielen seien Sportler nur Sportler, egal aus welcher Nation sie kommen oder welche Religion sie haben. Zur Sicherheitsarchitektur rund um die Sportstätten im Namen der Terrorabwehr gab es kein Wort. Und wieder geht es um Orte der Emotionen: Sportstätten seien die Bühne der Sportler, hier gibt es die magischen Momente, hier sind Sportler Vorbilder für die Kinder in unserem Land.

Der zweite Slogan des Abends war Nachhaltigkeit: „Wir wollen keine weissen Elefanten […], sondern Sportstätten umweltverträglich gestalten.“ Das soll die räumliche Nähe der Spielstätten und deren Nachnutzung garantieren. Infrastrukturen für eine Megaveranstaltung, die nur vier Wochen genutzt werden, aufzubauen und dann möglichst schnell wieder rückzubauen, ist per se nicht nachhaltig. Oben drauf kommen noch die enormen Umweltkosten durch Anreise, Transport und Versorgung der Teilnehmer_innen (10.000 Athlet_innen und 140.000 Akkreditierte) und internationalen Besucher_innen. Der Bewertungsmaßstab der Nachhaltigkeit ist offensichtlich: Wir versuchen, die Spiele weniger umweltschädlich durchzuführen als andere Veranstalter_innen es tun würden. In der Erzählung der Olympiaplaner_innen heißt das: „Wir haben eine tolle Geschichte zu erzählen, da wir maßvolle Spiele veranstalten und verantwortungsbewusst mit Umweltverträglichkeit umgehen.“

Dieses Nachhaltigkeitsversprechen wurde im Namen der Stadtregierung von dem Planungsberatungsunternehmen Proprojekt und dem Architektur- und Planungsbüro Albert Speer & Partner GmbH formuliert. Beide haben in Sachen Großsportveranstaltung schon gemeinsam diverse IOC und FIFA-Wettbewerbe begleitet, u.a. die Olympiabewerbung von Baku, München, Stockholm, Almaty außerdem Strategieberatung für die FIFA-WM in Abu Dhabi und Katar. Nicht gerade Topreferenzen für nachhaltige und maßvolle Veranstaltungen mit transparenter Bürgerbeteiligung. Die Hamburger Regierung betreibt ein Outsourcing ihrer Bürgerbeteiligungs und Planungshoheit. Die Kosten für deren Überzeugungsarbeit bis zum Referendum tragen die Hamburger Steuerzahler_innen selbst. Ergebnisoffene Planung geht anders.

Die Präsentation der geplanten Sportstätten für die Olympiabewerbung bot dann auch kaum Spielraum für Bürgerbeteiligung. Fast alle Standorte wurden als alternativlos benannt. Lediglich bauliche Deteils seien zu klären. Fix eingeplant sind als bestehende Gebäude im innerstädtischen Bereich sechs Messehallen, die CCH-Halle, das Millerntorstadion, das Rotherbaum-Stadion, die Schwimmhalle in Wilhelmsburg, außerdem Alstersporthalle, Volksparkstadion, Stadtparkwiese, Radrennbahn und HSV Trainingsplätze in Stellingen, Reitplatz in Klein Flottbek und Regattastrecke Doveelbe. Dazu kommen noch Sportstätten im Umland mit besonderem technischen oder Flächenbedarfen wie Schießen und Geländereiten. Im Innenstadtbereich sind außerdem rund um und auf der Alster diverse Nutzungen des öffentlichen Raums geplant für Marathon, Gehen, Freiwasserschwimmn, Straßenradrennen und Triathlon.

Die notwendigen Neubauten sollen alle auf dem Kleinen Grasbrook realisiert werden. Für Sportstätten, die dort keinen Platz finden können, wie die Wildwasserkanuanlage, gibt es noch kein Konzept und auch keinen Kommentar zur aktuellen Suchbewegung. In der Planung vom März war hierfür noch der neue Stadtpark Wilhilmsburg vorsehen. Ebenfalls blieb offen, ob es Neubauten für Trainingshallen braucht, die neben den Veranstaltungsstätten für die olympischen Sportler_innen aller Sportarten bereitgestellt werden müssen. Für die Schwimmwettbewerbe heißt das z.B., dass die Sportler_innen jeweils ein identisch großes zweites Becken neben dem Wettkampfbecken bekommen, also zwei 50-Meter-Becken auf dem Kleinen Grasbrook und ein zweites Becken in Wilhelmsburg. Auch die Nutzung bestehender Gebäude für die spezifischen Bedarfe der olympischen Spiele ist mit enormen Umbauten verbunden. Für alle Sportstätten müssen große Tribünen, Belüftungs- und Brandschutzanlagen installiert und in den Messehallen zusätzlich die tragenden Säulen im Innenbereich entfernt werden.

Großes Thema war der Rückbau der Sportstätten. Alles, was für den Hamburger Normalbetrieb überdimensioniert ist, soll wieder entfernt werden. Da es bei dieser Werkstatt nicht um Kosten gehen sollte, kam aus dem Publikum u.a. die Nachfrage, ob dann hinterher überhaupt noch Weltmeisterschaften stattfinden könnten und die Frage nach touristischen Erlebnisorten, wenn von Olympia nichts mehr zu sehen ist. Darauf die Antwort: An allen ehemaligen Olympiastandorten werden die olympischen Ringe zu sehen sein. Das Recht, die Marke des IOC nutzen zu dürfen, und die kollektive Erinnerung an magische Momente scheint das primäre Ziel von Olympia in Hamburg zu sein.

Hamburg 1 hat wieder live übertragen, der Mitschnitt ist hier abrufbar.

Dieser Beitrag wurde Fairspielen von Sybille Bauriedl zur Verfügung gestellt. Sie ist Geographin, Umwelt- und Stadtforscherin.

3 Gedanken zu „Ökonomie der Aufmerksamkeit – Zur 3. Olympia-Stadtwerkstatt

  1. Ein Glück das sich die überwiegende Mehrheit der Hamburger, der Norddeutschen und der Deutschen auf diese magischen Momente freut und Diese unterstützen wird.
    Sicher sind nicht alle Risiken des Abenteuers Olympia eindeutig monetär bezifferbar. Das gilt aber für die Argumente der Befürworter und der Gegner gleichermassen. Und irgendwann muss man sich einfach mal entscheiden! Daher ist das Referendum Ende November zeitlich genau richtig platziert!

    Auf gehts PROLYMPIA in HH

  2. Pingback: NOlympia-Presseschau für Juli 2015 » Nolympia

  3. Es wird immer Neinsager und Pessimisten geben. Das ist für eine kontroverse Diskussionskultur auch wichtig. Aber genau so wie Planer und Befürworter eben ihrer Gegenseite zuhört, sollten das auch jede Neinsager und Pessimisten wie Sybille Bauriedl oder Dirk Seifert oder der AStA auch ihrer Gegenseite zu hören und sich nicht in ihrem Dunstkreis bewegen ohne die Augen zu öffnen. Für Hamburg als WELTSTADT!

    #prolympia #feuerundflamme

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