Am 8. Juli hatte die Kulturbehörde zahlreiche Kulturschaffende zu einem „Ideenfest“ rund um ein mögliches Olympia-Kulturprogramm geladen. Auf der Gästeliste stand auch Schorsch Kamerun, Theaterregisseur und Sänger der Band Goldene Zitronen. Der ist der Einladung gefolgt. Wir haben ihn gefragt, wie er denn zur Olympia-Bewerbung steht und wie’s ihm auf dem Fest in der Kampnagel gefallen hat. Hier seine Antwort:
Schorsch Kamerun: „Ich bin dort hingegangen und hatte bereits im Vorfeld Kritik geäußert. Man schrieb mir aber, dass Kritik dort durchaus willkommen sei. Ich glaube nicht an die angekündigte „bescheidene“ und „nachhaltige“ Giga- Veranstaltung innerhalb von Leuchtturmprojekt-Wachstumsstadtpolitik, Sponsoringweltinteressen und autoritären IOC- Regeln und das wollte ich auf diesem „Ideenfest“ genannten Treffen anmerken.
Nach den Begrüßungen durch die Kultursenatorin, einer Mitkoordinatorin der Londoner Spiele und einem Hamburger Kulturkonzept-Mitgestalter, in denen von den großen Chancen für alle möglichen – auch kritischen – Partizipationen gesprochen wurde, sollten wir Teilnehmer an farbig markierte Tische verteilt werden, um Vorschläge zu diskutieren, welche dann in eine Art Wettbewerb fließen würden, dessen Gewinnerbeiträge am Ende das kulturelle Gesicht der Hamburger Bewerbung zeigen soll.
Ich bin dann als einziger von ungefähr 200 geladenen Kultivierten (Theaterintendanten, Künstler, Musikgeschäftler etc.) aufgestanden, um anzumerken, dass ich mir durchaus vorstellen könne, dass im Raum eine ganze Reihe von Leuten säßen, die noch nicht gänzlich davon überzeugt seien, sich überhaupt bewerben zu wollen für so ein Superprojekt und dass diese, wenn sie eben skeptisch seien, auch noch nicht dafür mitarbeiten können zu diesem Zeitpunkt. Zumal ihnen auch nicht ganz klar sei, warum sie hier als freiwillig arbeitende Bewerbungsunterlage dienen sollten. Das wäre ein „sehr verständlicher“ Einwand und man würde mir und eventuellen, weiteren Zweiflern einen ebenfalls farbmarkierten eigenen Tisch aufstellen. Das war dann auch so.
Es kamen eine Handvoll Leute da hin, drei Damen von der Kulturbehörde und auch die Senatorin gesellte sich zu uns. Dann wiederholte sich ein ähnlicher Ablauf. Auf mein Insistieren, man könne nicht aus jeder Kritik eine integrierbare Teilhabe machen und Nein kann auch Nein bedeuten solange man nicht überzeugt ist, wurde immer nur mit einem Betäubungsmittel geantwortet: Das sei doch ein schöner Beitrag und fände genauso einen Platz in der Vielstimmigkeit ihres Programms.
Ich habe dann noch gesagt, dass wenn sie es ernst meinen zum Beispiel mit einer Flüchtlingsthematik in ihrer Bewerbung, dann könne man doch die gesamten entstandenen Olympia-Anlagen danach komplett für Flüchtlinge zur Verfügung stellen. Und wenn sie wirklich nachhaltig sein wollten, dann bräuchte man eigentlich gar nichts neu bauen, sondern könnte konsequent mit Vorhandenem umgehen. Ein Schauspieler vom Schauspielhaus schlug vor, es könnten Spiele gänzlich ohne Logos sein, wenn man zeigen wollte, dass man „rein sportlich“ denken würde, usw.
Auch all das wären „feine Vorschläge“, die zwar nicht machbar wären, weil man in der Kulturbehörde durchaus „an Wachstum glauben würde“, dennoch könne alles unzensiert in den großen Ideentopf geworfen werden. Mit dem Hinweis, sie könnten meine Mitmach-Anti-Olympiafahne ja dann auch gern auf der Eröffnungsveranstaltung hissen neben den anderen korrekten Wimpeln, habe ich das „Fest“ verfrüht verlassen.
Wenn die Stadt Hamburg glaubt, sie könne jede Kritik einfach wegschlucken und gut verdaut in ihren Vereinahmungsbrei rühren, dann muss ihr deutlich gesagt werden, dass das so nicht laufen wird. Besonders heftige Problemthemen verlangen ernst gemeinte, radikale Lösungen und diese gehören nach vorn gestellt und nicht hinweg integriert. Wenn hier also keine klar erkennbare Haltung kommt, kann auch nur ebenso deutlich abgelehnt werden.“
- Sie auch den Bericht, warum Christopf Twickel nicht an dem Termin teilgenommen hat: „Das ist Hofnarrentum“ – Hamburgs Kulturschaffende im Dienste von Olympia
Ich find diesen Beitrag Schorsch Kamerun grandios – ein Lehrstück zum Thema „repressive Toleranz“, man klopft den Kritikern auf die Schultern, lobt sie, ehrt sie und ehe sie sich umsehen, haben sie schon vergessen, weshalb sie gekommen sind. Aber bei Schorsch Kamerun sind sie an den Falschen geraten. Großartig!
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