Interessante Reaktion gibt es auf unsere gestrige Mitteilung, dass sich die Dienstleistungs-Gewerkschaft ver.di in Hamburg auf der Landesbezirks-Konferenz gegen die Olympia-Bewerbung ausgesprochen hat. Auf Facebook ist die Hölle los und jede Menge „Interpretationen“ sind am Start. Interessant auch die Ausbeute, wenn man heute „ver.di hamburg olympia“ googelt. Lediglich die Hamburg1-Meldung wird dann gelistet. Hallo Abendblatt? Was ist los?
- Udate: Die Berliner Morgenpost berichtet über erhebliche juristische Probleme im Zusammenhang mit einem Volksentscheid zu Olympia in Berlin und bringt am Ende kurz den Hinweis auf den Hamburger Ver.di-Beschluss.
- Verdi Hamburg: Statt Olympia für ein soziales Hamburg
Seit Monaten wird von interessiert Seite auf den Beschluss beim DOSB hingearbeitet, ob Hamburg oder Berlin für Spiele 2024 oder 2028 an den Start gehen soll. Große Hoffnungen werden bei Hamburgs Wirtschaft an die Präsidiums-Sitzung des DOSB geknüpft, die am 16. März eine Empfehlung an das Plenum aussprechen wird. Am 21. März soll dieses Gremium dann die in kleiner Funktionärsrunde getroffene Entscheidung am besten abnicken.
Natürlich passt die Meldung bzw. der Beschluss von ver.di den Olympia-Freunden so gar nicht ins Programm. Mit uns paar „Nolympia-Bloggern“ weiß man zwar nicht so recht, wofür wir denn in der Stadt so stehen, aber wir haben den Fahrplan nicht so richtig gestört, auch wenn wir sicherlich eine Art „große Unbekannte“ und damit irgendwie Unsicherheits-Faktor sind. Und das LINKE Nein zu Olympia ist in dieser Betrachtung ein berechenbarer Faktor, vor dem die Olympia-Freunde nicht wirklich Angst haben müssen.
Der ver.di-Beschluss dürfte nun ein erstes Anzeichen sein, dass es auf dem Weg zum Bürger/Volksentscheid, der – sollte Hamburg vom DOSB gewählt werden – zwischen September und November 2015 stattfinden könnte, noch ein verdammt weiter Weg sein könnte. Viele Verbände und Organisationen haben sich bis heute nur am Rande mit der Frage Olympia beschäftigt.
- Die Gründe dafür haben wir gestern in diesem Text ein wenig angeführt: Die geheimen Widerstands-Pläne der Hamburger Olympia-GegnerInnen.
Während die Hamburg Medien – sagen wir zurückhaltend – auf die Meldung über den Ver.di-Beschluss reagieren, hat Hamburg1 dies aufgegriffen, ein wenig recherchiert und gestern Nachmittag eine Meldung gemacht. Herbert Schalthoff und Christian Schuhmacher von Hamburg1 haben in ihren privaten FB-Accounts diese Meldung zum ver.di-Beschluss gepostet. Vor allem bei Herbert Schalthoff haben sich Gewerkschafter und ehemalige Vorsitzende zu Wort gemeldet.
Gemeinsam ist den Beiträgen, dass sie den Beschluss entweder klein reden, anzweifeln, ob eine Gewerkschaft sich überhaupt zu dem Thema äußern sollte oder aber sie monieren, dass sich Hamburg1 nur mit diesem Beschluss von der Landesbezirksversammlung beschäftigt.
Ein ehemaliger Vorsitzender schreibt z.B. an Schalthoff: … „Die Olympia-Frage gehört sicher nicht wirklich zu den Kernthemen der Gewerkschaften und auch nicht zu den Kernmotiven, weswegen man sich gewerkschaftlich organisiert. Die Frage an HH1 wäre: Gäbe es nicht Wichtigeres von der ver.di-Landesbezirkskonferenz zu berichten, vielleicht über die „Digitalisierung der Arbeit“ oder den Kampf gegen prekäre Beschäftigung? Nichts für ungut.“
Vielleicht ein kleiner Hinweis zwischendurch: Die Meldung über den ver.di Beschluss hat nolympia-hamburg.de gestern Vormittag in die Welt geschickt, Hamburg1 hat das aufgegriffen. Ver.di selbst hat von der Landesbezirksversammlung lediglich eine PM gemacht, in der über die Wahlen zur Landesbezirksleitung berichtet wurde. Zu keinem einzigen der inhaltlichen Punkte, die beschlossen wurden, hat es eine Verlautbarung seitens ver.di gegeben, also auch nicht zur „Digitalisierung der Arbeit“, zu den Rekommunalisierungs-Forderungen oder eben Olympia.
Ein anderer ver.di-Mitarbeiter haut in die gleiche Kerbe und schreibt: „Lieber Herbert Schalthoff, mal ganz davon abgesehen, dass es auf der ver.di-Landesbezirkskonferenz wirklich spannendere Themen gab und die anderen 84 Anträge auch nicht im Netz stehen, sind auch die 63 Beschlüsse nicht veröffentlicht; denn sie richten sich entweder als Arbeitsaufträge an den Landesbezirksvorstand oder als Anträge an den ver.di-Bundeskongress. Entsprechend wird sich der Vorstand auch mit dem Olympia-Beschluss befassen. Daneben gibt es schon seit längerem die Verabredung zwischen dem DGB und seinen Einzelgewerkschaften, dass der DGB gegenüber der Öffentlichkeit Stellung zu Olympia nimmt. Das hat er getan und u.a. die Bedingung gestellt, dass Olympia untrennbar mit den Anforderungen des DGB-Index „Gute Arbeit“ verbunden sein muss und die soziale Infrastruktur nicht vernachlässigt werden darf. In diesem Kanon haben nun auch die VertreterInnen der Mitgliedschaft von ver.di Hamburg auf ihrer Landesbezirkskonferenz ihre Stimmen erhoben und gefordert, dass „die dauerhafte Finanzierung sozialer Infrastruktur und öffentlicher Dienstleistungen durch Olympia (nicht) gefährdet“ sein darf. Das ist die zentrale Botschaft, die sich mit dem DGB deckt, und eigentlich doch wohl auch eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Und somit hat die Mehrheit der VertreterInnen der Mitgliedschaft damit ihre Skepsis zum Ausdruck gebracht. Wo sehen Sie hier ein Problem?“
Auch ein anderer Gewerkschafts-Kollege gibt Hamburg1 Tipps, worüber die hätten berichten sollen, was ver.di selbst keine Pressemeldung wert war: „Schön wäre auch eine mediale Berichterstattung zu den Forderungen des DGB an den Koalitionsvertrag gewesen. http://hamburg.dgb.de/…/++co++01ee76bc-c0d6-11e4-a794…“
Sich naiv stellen, ist manchmal sicherlich ein total schlauer Trick. Hinweise zu geben, was Medien berichten sollten und was nicht, sind irgendwie immer kurios. Allemal dann, wenn das nur kommt, wenn man selbst „angefaßt“ ist. Doch meist kommt das nicht wirklich überzeugend rüber. Interessant wäre ja, wenn Gewerkschaftskollegen sich mal die ziemlich einseitige Olympia-Berichterstattung „zur Brust“ nehmen wurden und ihren zuständigen Fachbereich bitten würden, doch mal mehr Ausgewogenheit einzufordern oder zumindest mal zu kritisieren, wenn eine nicht unwichtige Tageszeitung dieser Stadt mit Ansage Kampagne macht. Doch dazu hat keiner der sich hier zu Wort meldenden Kollegen etwas moniert.
Weiter im Text. Der zuletzt erwähnte Gewerkschafter will nun unbedingt hinbekommen, dass der Ver.di-Beschluss gar nicht „gegen“ sondern im Grunde „für“ Olympia ist und es zum Senat keinerlei Differenz gibt:
„Ich lese den Beschluss nicht als Ablehnung von Olympia, sondern als Formulierung einer Bedingung für Olympia. Eine Gefährdung der „dauerhaften Finanzierung sozialer Infrastruktur und öffentlicher Dienstleistungen durch Olympia“ möchte doch sicher auch kaum ein Befürworter der Spiele. Wenn ich den Senat richtig verstanden habe, legt auch er großen Wert auf eine solide Finanzierung.“
Na gut, Papier ist geduldig. Das gilt wohl auch für das Internet-Papier aka Monitor. Nur noch mal zur Erinnerung. Der Beschluss lautet: „ver.di Hamburg spricht sich gegen die Ausrichtung von Olympia in Hamburg 2024, 2028 oder später aus, solange die dauerhafte Finanzierung sozialer Infragstruktur und öffentlicher Dienstleistungen durch Olympia gefährdet ist.”
Den weiter oben genannten Hinweis auf den DGB wollen wir hier aufgreifen. „Wenn Olympia, dann nur mit guter Arbeit“ hatte der „DGB Bezirk Nord – DGB Hamburg“, am 4.8.2014 in einer Pressemitteilung gefordert. Die Hamburger DGB Chefin Katja Karger schreibt dort u.a.; „Ohne bereits eine Position zum Für und Wider der Olympischen Spiele in Hamburg zu beziehen“, müsse „die Einhaltung internationaler Mindeststandards für eine menschenwürdige Beschäftigung und die Einhaltung gesetzlicher und tariflicher Standards bei der Durchführung der Spiele“ Bedingung für eine Bewerbung sein, heißt es in dem Brief. Darauf sei bei den Vereinbarungen mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), sowie dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) zu achten.“
Interessant aber auch, was Hamburg1 über die Reaktion von ver.di auf dortige Nachfragen berichtet. Zum eigentlichen Beschluss gibt es aus dem Headquater keine wirklich Reaktion, dafür aber den Hinweis, der HH1-Journalist möge sich mal mit dem DGB-Nord in Verbindung setzen.
Der Reihe nach: Hamburg 1 berichtet über die Reaktion von ver.di, ohne zu sagen, mit wem dort gesprochen wurde: „Gegenüber Hamburg 1 erklärte ver.di lediglich, es gäbe zum Thema Olympia nach wie vor eine offene Diskussion und unterschiedliche Meinungen und Positionen.“
Schalthoff schreibt dazu bei FB: „Ich frage mich allerdings, wieso bei ver.di Hamburg der Eindruck erweckt wird, man würde den Antrag der Delegierten am liebsten in der Versenkung verschwinden lassen, Er findet sich nicht auf der Homepage. Bei nachfragen wird man an den DGB Hamburg Nord verwiesen.“
Darauf reagiert der ehemalige Vorsitzende, darf man sagen verschnupft? „Lieber Herbert, die Antwort auf Deine rhetorische Frage kennst Du sicher selbst: Eine Umfrage unter den ver.di-Mitgliedern würde sicher kaum ein anderes Ergebnis haben, als entsprechende Umfragen in der Hamburger Bevölkerung.“ (der weitere Teil ist dann oben schon zitiert!)
Ach so. Erklärt zwar nicht, was Schalthoff fragt, aber eine Antwort ist besser als keine.
Schalthoff reagiert neben ein paar weiteren Bemerkungen mit: „Und lieber Wolfgang, keiner weiß besser als du, was und wer eigentlich hinter diesen Abstimmungen steht. Und das ist nun wirklich ein Thema, oder ? Nichts für ungut.“
In der Tat: Der ver.di – Beschluss scheint da einigen nicht ins Konzept zu passen und Schalthoffs Eindruck, dass da einige den Beschluss „am liebsten in der Versenkung“ verschwinden lassen möchte, dürfte die Realität ganz gut treffen.
Hamburg hat nicht das Format eine derartige große Veranstaltung durchzuführen. Siehe Elbphilamonie, siehe Internorga-Wilhelmsburg. Es sei denn, man vergibt die gewaltigen Bauarbeiten an Hoch-Tief. Na ? Oder noch besser, man setzt den Vorstand von H-T gleich als Senator ein. Unsere Urenkelkinder würden noch unter den Kosten stöhnen.
Es beschleicht einem das bange Gefühl, das bei diesem Absurdistan die Binnen- und Außenalster wegen Platzmangel zugeschüttet zugeschüttet wird. Hat man daran gedacht, dass der Airport mitten in der Stadt liegt?
So reizvoll ein Olympia in Hamburg wäre, aber man sollte seine Grenzen kennen. Nein, dieses Festival ist eine Nummer zu groß für uns.
Hans Rittershaus