Im Zentrum der Hamburger Olympiabewerbung steht ein neuer Stadtteil, der auf dem Kleinen Grasbrook gebaut werden soll. Ist Olympia ein geeignetes Instrument der Stadtentwicklung? – diese Frage treibt mich seit gestern um. Die Grünen hatten ins Rathaus geladen, um über „„Olympia in Hamburg – Ja bitte oder Nein danke?“ zu diskutieren. Prof. Dr. Wolfgang Maennig von der Universität Hamburg hat an dem Abend mehrfach betont, dass man mit Olympischen Spielen keine Stadtentwicklung betreiben könne, da dies nicht der Sinn und Zweck von Sportveranstaltung sein kann. In einem Taz-Interview nennt er das „Irreführung von Barcelona 1992“, denn spätestens seit Barcelona habe sich die Gewichtung ungut verschoben. Wenn ich mir die Hamburger Bewerbung angucke, dann ist ein Hauptargument für die „Spiele am Wasser“, dass Olympia ein Katalysator sei, um Hamburgs stadtpolitische Leitlinien (Sprung über die Elbe, Grüne Metropole, etc.) umzusetzen.
Hier eine Schlüsselpassage aus der Senatsantwort an den DOSB:
„Die Spiele verändern die Stadt. Sie unterstützen die Weiterentwicklung einer modernen und urbanen Metropole. Die Olympischen und Paralympischen Spiele werden durch die Entwicklung des zentralen Olympiageländes auf dem Kleinen Grasbrook und dessen Erschließung für die Hamburger Bevölkerung eine Scharnierfunktion für die Stadtentwicklung übernehmen. Der Kleine Grasbrook verknüpft die südliche Achse und eine der östlichen Achsen. Während das als ,Sprung über die Elbe‘ bezeichnete südliche Entwicklungskonzept die Stadtteile Wilhelmsburg, Veddel und Harburg integriert, wendet sich das Konzept ,Stromaufwärts an Elbe und Bille‘ den Stadtteilen zwischen Rothenburgsort und Billstedt zu. Die Lage der neuen OlympicCity am Schnittpunkt beider Achsen wird in beide Richtungen Impulse setzen, die den städtebaulichen, landschaftsplanerischen und vor allem sozialen Zielen Hamburgs entsprechen.“
Das sind hohe politische Ziele, die mit diesem Event verwirklicht werden sollen. Es sind riesige Stadtentwicklungsprojekte, die Hamburg komplett neu strukturieren würden, die mit Ziel auf Olympia 2024 innerhalb von zehn Jahren umgesetzt werden sollen. Darüber hinaus will der Senat damit auch noch Sozialpolitik betreiben. „Die Stadt kümmert sich um Stadtteile mit Entwicklungsbedarf“, heißt es an anderer Stelle im Dokument. Meine Frage ist: Können Olympische Spiele all das wirklich leisten und was bedeutet es, wenn ein Stadtteil aufgrund und mithilfe von Olympia entstehen soll?
Gucken wir uns die Pläne für den Kleinen Grasbrook genauer an:
Auf den ersten Blick fällt auf, dass viel für die Anbindung des Kleinen Grasbrooks tun wäre: Mehrere Brücken sind notwendig und auch die Verkehrsanschließung sind das äußerst ambitionierte Ziele. Der Kleine Grasbrook sollte schon mal entwickelt werden, indem man die Universitäten dahin verlagert, so die noch gar nicht so alte Idee von 2009. Unter dem Schwarz Grünen Senat wurde ein ausgiebiges Gutachten erstellt und Kostenkalkulationen vorgenommen. Die damalige Studie zur Erschließung des Kleinen Grasbrooks wäre sicherlich sehr aufschlussreich, um erste Einschätzungen zum Umfang und den Anforderungen einer Erschließung machen zu können. Leider ist die ursprüngliche Projektseite zur Zukunft der Uni Hamburg, inkl. Studie nicht mehr online.
Eine an den damaligen Umzugsplänen beteiligte Ex-Senatorin der Grünen hatte sich gestern daran erinnert, dass schon damals die Kosten öffentlich relativ niedrig angesetzt wurden, da sich die erforderliche Gesamtsumme schlecht an die Bürger/innen vermitteln ließe*. Also auch hier gilt: Transparenz und Fakten bitte. Wie teuer wird die Erschließung des Kleinen Grasbrooks? Zumal sich die derzeit dort ansässigen Hafenbetriebe ihren Umzug vor Ablauf der Vertragslaufzeit sicherlich vergolden lassen würden. Erste Signale aus der Hafenwirtschaft deuten in diese Richtung. Und: Augen auf beim Olympia-Kauf.
Die in dem Artikel verwendeten Computeranimationen wurden von den Architekten Gerkan, Marg und Partner (gmp), Büro Gärtner und Christ erstellt, die für den Senat das Bildmaterial liefern. gmp hat bei der letzten FIFA-WM am stärksten umstrittene Stadion gebaut, mitten im Amazonas in Manaus. Sicherlich keine Experten für Nachhaltige Spiele.
* Ergänzung, 12.9.: Die Studie zur Erschließung des Kleinen Grasbrooks liegt nun (N)Olympia vor, sie ist in Kurzfassung hier nachzulesen.
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