Der schöne Schein von Beteiligung

Ein Gastbeitrag von Stefanie Baasch

Die Stadt Hamburg will sich als Austragungsort für die Olympischen Spiele bewerben – aber nur, wenn die Hamburger Bürgerinnen und Bürger dies auch wollen. Dafür werden verschiedene Veranstaltungen durchgeführt, die die Öffentlichkeit informieren und beteiligen sollen, bevor am 29. November 2015 alle Wahlberechtigten der Stadt darüber abstimmen dürfen, ob sie für oder gegen die Austragung sind. So weit, so partizipativ?

Partizipation ohne Konsequenzen: Stadtwerkstätten zu Olympia

Partizipation ohne Konsequenzen: Stadtwerkstätten zu Olympia


1969 hat die US-amerikanische Sozialarbeiterin Sherry Arnstein ein immer noch vielzitiertes Stufenmodell von Partizipation entworfen, bei dem sie zwischen Scheinpartizipation (Manipulation), Vorstufen von Partizipation (wie Information) und echter Partizipation unterscheidet, bei der die Beteiligten Entscheidungskontrolle bzw. Entscheidungsmacht besitzen. Das zentrale Merkmal für die Echtheit von Beteiligungsprozessen ist die Rolle der Beteiligten: wird ihnen tatsächlich eine machtvolle Position zugestanden? Wird es ihnen ermöglicht, auch auf die Gestaltung des Prozesses Einfluss zu nehmen?

Bei genauerer Betrachtung der Beteiligungsprozesse rund um die Hamburger Olympiabewerbung offenbart sich ein sehr spezifisches Beteiligungsverständnis, was mit demokratischer Teilhabe an Entscheidungen bzw. einer Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern auf gleicher Augenhöhe mit politischen Entscheidungsträgern sehr wenig zu tun hat. Dies wird bereits bei der Formulierung der Abstimmungsfrage sichtbar: „Ich bin dafür, dass sich der Deutsche Olympische Sportbund mit der Freien und Hansestadt Hamburg um die Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Spiele im Jahr 2024 bewirbt.“

Nun wird in jedem Einführungskurs zur sozialwissenschaftlichen Methodik gelehrt, dass Fragestellungen neutral zu formulieren sind, da ansonsten das Antwortverhalten beeinflusst wird. Ablehnungen fallen (zumindest bei einem Teil der Befragten) schwerer als Zustimmungen (psychologisch als „positive Antworttendenz“ bezeichnet). Diese Tendenz wird zusätzlich verstärkt, wenn angenommen werden kann, dass der Fragesteller eine Zustimmung bekommen möchte (die Psychologie nennt diesen Effekt „soziale Erwünschtheit“). Da man davon ausgehen kann, dass in Hamburg sowohl auf politischer wie auf administrativer Ebene ausreichend Fachwissen vorhanden ist, handelt es sich wahrscheinlich um eine bewusste Formulierung, die eine Zustimmung befördern soll.

Auch andere Öffentlichkeitsveranstaltungen rund um die Olympiabewerbung erwecken nicht den Eindruck, dass es den Verantwortlichen wirklich um eine offene bzw. ergebnisoffene Diskussion geht, sondern viel eher um Marketing. Zum einen zeigt sich dies am Aufbau der Veranstaltungen, die in der Regel mit einseitig positiven Eröffnungsvorträgen beginnen, mit der Vorstellung bereits erstellter Konzepte (Baupläne etc.) fortfahren und erst am Ende dem Publikum die Möglichkeit zum Kommentieren eröffnen. Zweitens lässt sich an der Sprachwahl sehr leicht erkennen, dass BürgerInnen es bei solchen Veranstaltungen mit „Experten“ zu tun haben: so werden eine Vielzahl von nicht gerade alltäglichen Begriffen wie „legacy mode“ verwendet. Sprache, insbesondere Fachsprache, eignet sich hervorragend dazu, Diskussionen auf Augenhöhe in Beteiligungsverfahren zu verhindern und BürgerInnen in die Rolle der Unwissenden zu drängen.

Dabei sind es die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, die mit den städtebaulichen und finanziellen Auswirkungen dieses Megaevents ebenso leben müssen, wie mit den erwartbaren Einschränkungen vor und während der Veranstaltung selbst. Es wäre daher nur angemessen, die HamburgerInnen ernsthaft zu beteiligen. Hierfür wäre es allerdings erforderlich gewesen, offen und ehrlich über Risiken und Nebenwirkungen solcher Großveranstaltungen zu sprechen und Beteiligungsprozesse so zu gestalten, dass Kritik und Zustimmung gleichermaßen Raum einnehmen können. Angesichts des fortgeschritten Planungsstands ist diese Chance allerdings bereits vertan.

Die jetzigen Beteiligungsverfahren dienen ausschließlich der Legitimation, d.h. die politischen Verantwortlichen wollen eine öffentliche Unterstützung für die Hamburger Bewerbung erhalten. Damit lässt sich auch die Verantwortung für unerwünschte – aber im Rahmen solcher Großveranstaltungen üblichen Nebenwirkungen (wie Kostenexplosionen bei Bauvorhaben und Sicherheitskonzepten, Steigerung von Lebenshaltungskosten, Einschränkung der Lebensqualität von BürgerInnen v.a. in Bau- und Veranstaltungsphasen) – auf die BürgerInnen übertragen.

Den lesenswerten „Klassiker“ gibt es kostenlos im Internet:
Arnstein, S. (1969). A Ladder of Citizen Participation. Journal of the American Institute of Planners (4), 216-224.

Dr. Stefanie Baasch ist Umweltpsychologin und Geographin. Sie arbeitet als wissenschaftliche Beraterin für Umwelt-, Klima- und erneuerbare Energievorhaben und ist Mitherausgeberin der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Umweltpsychologie“.

PS: Das „Beteiligungskärtchen“ ist im Rahmen der 3. Stadtwerkstatt zu Olympia entstanden. Foto: S. Bauriedl

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