Die Hamburgische Bürgerschaft debattiert eine Verfassungs-Änderung für die Bürgerbefragung zur Olympia-Bewerbung. Morgen (Dienstag) geht es im Verfassungsausschuss um die Auswertung der Anhörung (PDF) von Experten, die letzte Woche massive Kritik vorgetragen hatten. Der von Grünen und SPD vorgelegte Diskussionsentwurf hat es in sich. Da kommt durchaus der Verdacht auf, dass Olympia-KritikerInnen behindert werden sollen, ihre Kritik wirksam einzubringen. Und es drängt sich auf, eine Volksinitiative an den Start zu bringen, um überhaupt in der kommenden Auseinandersetzung mitspielen zu können.
- Olympia: Wir haben ein Problem – Volksbefragung in schwerem Wasser
- Der Entwurf für die Verfassungsänderung (PDF)
- Die Transparenz hat Grenzen: Auf der Homepage der Bürgerschaft sind bis heute die Vorträge der Auskunftspersonen der Anhörung im Verfassungsausschuss nicht online. Oder finde ich die dort nur nicht? Sachdienliche Hinweise nehmen wir unter kontakt@nolympia-hamburg.de gern entgegen!
In einem Rekordtempo soll bis Ende Mai diese Verfassungsänderung durchgepeitscht werden. Ob das gelingen kann, ist fraglich. Nicht zuletzt auch, weil die Anhörung zum Entwurf von Grünen und SPD eher mehr Fragen aufgeworfen hat, als beantwortet werden konnten.
Aber auch, weil eine gründliche Debatte angesichts des wahnwitzig engen Zeitplans kaum möglich sind. Immerhin würde die Verfassungsänderung nicht nur Olympia betreffen, sondern grundsätzlich für den Senat die Möglichkeit schaffen, staatliche Volksbefragungen für alle möglichen Belange durchzuführen. Was das tatsächlich bedeutet und welche Folgen das für die künftige Hamburger Politik haben könnte, ist vollkommen unklar. Auch deshalb warnten letzten Woche im Verfassungsausschuss einige der Angehörten vor einem Schnellschuß. Auch „Mehr Demokratie“ formuliert massive Bedenken.
Was Grüne und SPD als Mehrheitsfraktionen jetzt vorhaben geht weit über die Olympia-Befragung hinaus. Auch deshalb gibt es bei Linken, FDP und CDU erhebliche Bedenken. Ob es eine zweidrittel Mehrheit für die Verfassungsänderung geben wird, ist daher noch unklar. Möglicherweise steht damit eine einfache gesetzliche Regelung im Raum, die zwar ein Problem mit der Verbindlichkeit einer Volksbefragung hätte, aber erheblich weniger tief in die politischen Strukturen der Stadt eingreift. Möglicherweise ließen sich für die Verbindlichkeitsproblematik einfacher Lösungen finden, als für eine Verfassungsänderung!
Diese Ausgangslage beschreibt auch das Abendblatt in einem jüngst veröffentlichten Artikel. Dort ist auch nachzulesen, dass „Mehr Demokratie“ folgendes in Planung hat: „Warum nicht erst einmal nur eine Olympia-Abstimmung? Die Antwort hat einen Namen: Manfred Brandt. Sein Verein Mehr Demokratie hat einen eigenen Entwurf zur Einführung von Referenden vorgelegt – natürlich per Volksinitiative.
„Mehr Demokratie“ macht Rot-Grün mit eigener Volksinitiative Konkurrenz
Und dieser Entwurf hat es in sich, weil er die Macht der Bürgerschaft und vor allem der Regierungsmehrheit sehr stark einschränkt. Es soll nach einem Referendum keine Sperrwirkung für eine spätere Volksinitiative geben. Genau das ist Rot-Grün aber wichtig, um zu verhindern, dass zum Beispiel nach einem Ja zu Olympia im Referendum eine Volksinitiative gegen die Spiele gestartet wird. Mehr Demokratie will einen Gegenvorschlag aus der Bürgerschaft und zusätzlich aus dem Volk bei jedem Referendum ermöglichen. Das Initiativrecht für ein Referendum soll nicht mehr beim Senat, sondern ausschließlich bei der Bürgerschaft liegen. Und nach dem Willen von Brandt soll das Volk grundsätzlich per Referendum gefragt werden, wenn die Bürgerschaft eine Verfassungsänderung plant.“
Die Debatte ist also eröffnet. Die Frage ist aber, ob SPD und Grüne den BürgerInnen und gesellschaftlichen Akteuren jenseits der Bürgerschaft Zeit dafür lassen, sie zu führen. Viele Monate lang haben SPD, Grüne und der Rest des Parlaments diese so wichtige Fragen schleifen lassen, – offenbar haben auch dort viele nicht geglaubt, dass Hamburg den Zuschlag für eine Olympia-Bewerbung bekommt. Ihre Versäumnisse führen nun dazu, dass eine gesellschaftliche Debatte unter dem enormen Zeitdruck kaum noch möglich ist. Sorry, aber ein Hinweis auf die versprochene Transparenz bzw. Bürgerbeteiligung ist das in keinem Fall! Hier werden Sachzwänge gemacht, die ausgrenzen und verhindern! Kein guter Start für die Olympia-Debatte und eine schwere Belastung für die Glaubwürdigkeit zu den konkreten Fragen, die mit der Olympia-Bewerbung zusammen hängen!
Hinzu kommt: Wer jetzt keine Volksinitiative zu Olympia an den Start bringt hat künftig möglicherweise nichts mehr zu melden! Jedenfalls wenn es nach dem derzeitigen Diskussionsentwurf der SPD und der Grünen geht. Nach der Abstimmung würde eine jahrelange Sperrfrist einsetzen, in der Volksinitiativen etc. nicht mehr möglich wären. Dabei erklärt uns der Senat schon jetzt, dass z.B. die Kosten für Olympia erst nach und nach klarer werden. Aber dann wäre bis zum Ende der Legislatur im Jahr 2020 der Weg zu Volksinitiativen rechtlich versperrt. Das ist weniger, und nicht mehr Demokratie, was Rot-Grün hier an den Start schieben will! Und es ist eine Aufforderung, an eine demokratische Bürgergesellschaft – egal wie sie zur Olympia-Bewerbung steht, jetzt einzugreifen und STOPP zu sagen!
Die Regelungen im Entwurf zwingen dazu, möglichst gestern eine Volksinitiative an den Start zu bringen und in Rekordtempo die Unterschriften zu sammeln – nur um im Falle der Verfassungsänderung überhaupt als politischer Gesprächpartner im Rennen zu bleiben. Die Fristen, um ein Volksbegehren hinzubekommen, wären – wenn ich das richtig lese – schon jetzt kaum noch einzuhalten.
Die Handelskammer hatte sich in Person ihre Präses in der Neujahrsansprache zu 2014 massiv beschwert. Volksentscheide und Gerichte würde die Parlamente untergraben. In der gleichen Rede hatte Fritz Horst Melsheimer den Bürgermeister aufgefordert, die Olmypia-Bewerbung an den Start zu bringen. Möglicherweise arbeiten Rot-Grün gerade daran – weit über die Olympia-Frage hinaus – den Volksentscheiden Grenzen zu setzen. Das mag keine Absicht sein, aber eines wird sehr deutlich: Der Fahrplan für Olympia gerät schon jetzt aus den Fugen und die ersten die auf der Strecke bleiben könnten sind die BürgerInnen.
Texte dazu auf umweltFAIRaendern.de:
- Handelskammer Hamburg: Volksentscheide und Gerichte untergraben Parlamente
- Handelskammer Hamburg fordert Olympia – Senator übernimmt!
- Die Macht der Handelskammer: Wird Olympia erzwungen?
Es bewahrheitet sich immer wieder , immer deutlicher : wir leben in einer demokratisch gewählten Diktatur !
Es macht auch keinen Sinn(mehr), sich hier in Diskussionen zu ergehen ; DIE Zeit , DIE Nerven , DIE Mühe kann man sich sparen.
Langsam wird man müde, sich ins Zeug zu legen für eine TOTAL aussichtslose Sache…
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