Was seit Jahren als Verdacht im Raum steht, wird immer eindeutiger: Die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 ist gekauft worden und Schwarze Kassen sind auch im sauberen deutschen Sport zuhause (Spiegel). Nicht nur das, was unter dem Label FIFA läuft, steckt bis zum Rand voll von Korruption. Die Zahlungen von Blatter an Platini nähren den Eindruck, dass auch die UEFA tief in diesem Sumpf verwickelt ist. Und nun erreicht der Skandal (erneut) den DFB und das Organisations-Komitee für die WM 2006. Und immer wieder steckt ein Unternehmen dahinter: Ein Sportausstatter namens adidas. Alles nur gekauft…
Selbst die Börse reagiert auf die vom Spiegel dargelegten Hinweise, dass die WM 2006 gekauft wurde: „Der Skandal um das angeblich gekaufte „WM-Sommermärchen“ sorgt auch an der Börse für Unruhe. Die Aktien von Adidas gehören zum Wochenauftakt zu den größten Dax-Verlierern.“ (ARD Börse) Bereits im Mai schrieb „finanzen.net“: „adidas hat im Fifa-Skandal viel zu verlieren„.
Adidas und Sportkorruption? Darüber berichtete ausführlich die Zeit im Mai 2014 (mit Blick auf Bayern München): „Adidas: Die Erfinder der modernen Sportkorruption. Adidas ist Teil deutscher Fußballkultur und eine Macht im Sport. Doch die Methoden des Ausrüsters sind seit Jahrzehnten fragwürdig.“ Dort ist zu lesen: „Effizienter wurde Horst Dassler, als er Mannschaften, Offizielle, ganze Verbände für sich gewann. Oft mit Bargeld, meist in Hinterzimmern. Der unscheinbare Dassler galt als der Boss des Weltsports. Er kaufte die „korrupte Schickeria des Sports“, schreibt der Autor Thomas Kistner in seinem Buch Fifa Mafia, der Dassler ein ganzes Kapitel widmet.“ Weiter schreibt die Zeit: „Mitte der achtziger Jahre gründete Dassler mit einem Kompagnon die Briefkastenfirma ISL. Sie wurde dazu genutzt, Funktionäre der Fifa, des IOC und anderer Verbände zu schmieren. Männer mit schweren Geldkoffern reisten um die Welt, bis die ISL pleite ging. Wie ein Gericht 2008 feststellte (PDF), flossen von 1989 bis 2001 insgesamt umgerechnet 115 Millionen Euro an die Mächtigen des Sports.“
Über die „unrühmliche Rolle von Adidas, McDonald‘s und Co“ im FIFA-Skandal kommentierte auch die Wirtschafts-Woche im Mai 2015 und der Stern berichtet über Dreyfuss aktuell: „Milliardenschwer, fußballverrückt und illegalen Geschäften nicht abgeneigt: Der frühere Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus ist angeblich der Mann, dessen Geld Deutschland die WM 2006 zu verdanken hat.“
- Irgendwie interessant: Waldemar „Waldi“ Hartmann behauptet aktuell in einem Interview, er sei von Anfang an über die Bestechungen informiert gewesen. Wörtlich heißt es u.a. „Haben denn wirklich die Deutschen geglaubt, dass wir diese WM bekommen haben, weil wir so ganz besonders beliebt sind auf dieser Welt, weil wir so tolle Hechte sind, weil wir so gut ausschauen und weil uns alle lieben zum Niederknutschen? Hallo! Die Realität sieht anders aus. Der DFB und die deutsche Fußball-Öffentlichkeit hat mit dieser WM was Großartiges gemacht, sie haben es aber so bekommen, wie viele andere auch.“
Über die jahrzehntelange Praxis von Korruption bei FIFA und IOC mit maßgeblicher Beteiligung von Adidas berichtete Jens Weinreich bereits im April 2013 im Spiegel unter dem Titel:“Korruption im Weltsport: Die die Hand aufhielten„. Im Zentrum des Artikels steht die Marketingfirma ISL/ISMM, über die Weinreich schreibt: „Die weit verzweigte ISL-Gruppe, zuletzt unter der Holding ISMM firmierend, wurde von Horst Dassler, ehemals Chef des Sportartikelkonzerns Adidas, gegründet. Sie blieb bis zum Konkurs im Frühjahr 2001 im Besitz der Dassler-Familie, der vier Schwestern und zwei Kinder von Horst Dassler, der 1987 an Krebs starb.
Dassler war ein enger Freund und wichtiger Förderer des Fifa-Präsidenten Joseph Blatter und zahlte Mitte der siebziger Jahre, in Blatters ersten Monaten bei der Fifa, auch dessen Gehalt über Adidas-Konten. Für die Zeit von 1982 bis 1988, als Dassler das Marketingprogramm der Olympischen Spiele entwickelte, auf dessen Grundlage später auch die Champions League im Fußball vermarktet wurde, liegen keine Dokumente über Korruptionszahlungen mehr vor.
Aus Vernehmungen und Aktennotizen in den langjährigen gerichtlichen Auseinandersetzungen zum ISL-Konkurs geht jedoch klar hervor, dass das Bestechungssystem von Dassler früh in den achtziger Jahren, und sogar noch davor, etabliert wurde.“
Auch IOC-Chef Thomas Bach kommt aus dem Haus adidas
Die Zeit berichtet im Mai 2014 auch, dass nicht nur Sepp Blatter bei der FIFA eng mit adidas verbunden war, sondern das auch der heutige IOC-Chef Thomas Bach ein „Dasslerist“ ist: „Dasslers Motto war: Wer Informationen hat, kann andere erpressen, sie lenken. Wer nicht mitmachte, wurde ersetzt. 1974 half er João Havelange auf den Fifa-Thron, dessen Konkurrent Stanley Rous war kein Verbündeter. 1980 machte Dassler José Samaranch zum IOC-Präsidenten, kurz darauf Sepp Blatter zum Fifa-Generalsekretär. „Blatter sah zu Dassler auf wie zu einem Gott, weil er wusste, dass er ohne Dassler keine Chance hatte, den Job bei der Fifa zu bekommen“, lässt sich André Guelfi, ein damaliger Partner Dasslers, zitieren. Blatter sei eine Marionette gewesen. Auch der aktuelle IOC-Präsident Thomas Bach arbeitete unter Dassler. Der Weltsport wird von Dassleristen regiert. “
Bach, damals Mitglied im Organisations-Komitee für die WM 2006, will von den Bestechungen nichts gewußt haben und fordert heute Aufklärung. (Sport1)
- Das WDR-Magazin „sport insde“ hat eine Dokumentation von Hajo Seppelt & Robert Kempe über „Thomas Bach: Der neue Herr der Ringe“ gesendet, die auf Youtube hier online ist. In dem Bericht geht es u.a. auch um das Thema Israel. Bei den Spielen in London sollte es 40 Jahre nach dem Terroranschlag von München 1972 eine Gedenkminute geben, die das IOC schließlich auch mit dem Votum von Bach ablehnte. Die Hintergründe sind interessant und hier nachzulesen. Zur Person siehe auch Thomas Bach auf Wikipedia.
- Zum Thema Thomas Bach und das Doping im Sport siehe auch diese Doku von sport inside hier auf Youtube.
In der Doku von „sport inside“ wird die enge Verbundenheit von Thomas Bach mit dem adidas-Imperium detailliert herausgearbeitet. Er habe, so heißt es dort, zum engsten Kreis um Dassler gehört.
Widersprüchliche Reaktion von Niersbach und DFB
Offenbar in Notlage reagierte der DFB auf die Enthüllungen des Spiegel um die Existenz einer schwarzen Kasse, die vom damaligen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus heimlich mit 10,3 Millionen Schweizer Franken gefüllt worden war – damals 13 Millionen D-Mark. Mit diesem Geld sollen – unter maßgeblicher Beteiligung von Beckenbauer und auch unter Kenntnis des heutigen DFB-Chefs Niersbach Stimmen für die Vergabe der Fußball WM 2006 nach Deutschland gekauft worden sein. Als der Spiegel vor der Veröffentlichung beim DFB um eine Stellungnahme zu den belastenden Dokumenten bittet, reagiert Niersbach und behauptet, dass über eine Zahlung von 6,7 Mio. Euro an die FIFA seit dem Sommer „ermittelt“ werden. Möglicherweise sie dieser Betrag falsch deklariert worden. Die FAZ fasst diese Reaktionen von Niersbach unter der Überschrift „Nicht ein Wort über Dreyfus“ zusammen: „DFB-Präsident Niersbach äußert sich in zwei Erklärungen und einem Selbstinterview. Dabei verheddert er sich in Widersprüche.“
- Über die Zahlungen von Blatter an Platini berichtet die SZ: „Platini über Millionen-Zahlung – Blatter: „Wie viel willst du?“ Ich: „Eine Million“„
Von einer bereits im Sommer eingeleiteten Untersuchung ist beim DFB bis zum letzten Freitag niemanden etwas bekannt, schreibt die FAZ: “ Nur wusste das DFB-Präsidium nichts von diesen Aktivitäten zur Aufklärung einer für den DFB höchst brisanten Affäre. Das haben jedenfalls zwei Quellen unabhängig voneinander der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung bestätigt. Demnach ist das Führungsgremium erst am Freitag informiert worden. Auch der Kontrollausschuss und die externe Kanzlei seien an diesem Tag mit Untersuchungen beauftragt worden.“ Daran, dass Niersbach laut Spiegelrecherche persönliche einen Überweisungsvermerk mit dem Hinweis: „Honorar RLD“ notiert habe, will sich der DFB-Chef „absolut nicht erinnern“.
RLD ist der besagte ehemalige adidas-Chef Dreyfus. Dreyfus war auch mit Uli Hoeneß bestens befreundet und soll ihm das Geld für seine Zockereien zur Verfügung gestellt haben. Bereits im März 2014 schreibt die Welt über Dreyfus: „Er soll Uli Hoeneß das Startkapital zum Zocken gegeben haben. Doch wer war Robert Louis-Dreyfus? Der Ex-Adidas-Chef kannte sich mit schwarzen Kassen aus – und war ein enger Freund des FC Bayern.“ Dreyfus sorgte 2001 dafür, dass der FC Bayern weiterhin mit adidas verbunden bliebt, obwohl NIKE dem Verein das zehnfache angeboten hatte, berichtet die Welt. 2006 wollte NIKE den DFB für das fünffache der Summe, die adidas anbot, „gewinnen“ – ohne Erfolg. Die Zeit schreibt: „Am Ende stand ein Kompromiss: Adidas verdoppelte die Zahlungen auf 20 Millionen Euro jährlich und bekam den Zuschlag bis 2018. Das ist weit unter Marktwert, schätzen Experten. Nike warb Adidas darauf den französischen Fußballverband ab, der erhält nun mehr als 42 Millionen im Jahr. Die Marketing-Abteilung des DFB erhielt Medienberichten zufolge Dankesanrufe von den französischen Kollegen.“
Auch der Focus widmet sich dem Thema: „Ein Leben in der Grauzone. Das Schmiergeld-Geflecht des Adidas-Magnaten Louis-Dreyfus.“ Dort heißt es u.a.: „RLD kam immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt. So wurde er etwa wegen Verstoßes gegen Insider-Regeln im Zusammenhang mit IMS-Aktien Anfang der 90er Jahre in den USA zu einer Geldstrafe von 213.750 Dollar verurteilt. Im Jahr 2007 wurde Louis-Dreyfus dann zu zehn Monaten Gefängnis auf Bewährung sowie 200.000 Euro Geldstrafe verurteilt, weil er in illegale Transfergeschäfte des Fußballclubs „Olympique Marseille“ verwickelt war, die dessen Trainers Rolland Courbis angeschoben haben soll. RLD war Anteilseigner des Fußballclubs, in den er über die Jahre mehr als 200 Millionen investierte.“
Bereits 2012 hatte Sepp Blatter – stark unter Druck wegen der WM-Vergaben nach Katar und Russland – sich zum Thema geäußert: „«Gekaufte WM … Da erinnere ich mich an die WM-Vergabe für 2006, wo im letzten Moment jemand den Raum verliess. Und man so statt 10 zu 10 bei der Abstimmung ein 10 zu 9 für Deutschland hatte. Ich bin froh, musste ich keinen Stichentscheid fällen. Aber, na ja, es steht plötzlich einer auf und geht. Vielleicht war ich da auch zu gutmütig und zu naiv.» Ob er vermute, dass die WM 2006 gekauft gewesen sei? «Nein, ich vermute nichts. Ich stelle fest.»“ (Blick CH)
Von Bedeutung bei der FIFA-Entscheidung für die Vergabe nach Deutschland war bei der Abstimmung der von Blatter angesprochene Funktionär Charls Dempsey, der den Raum vor der Abstimmung verließ. Die Tagesschau schreibt: „Die Entscheidung für die WM 2006 fiel denkbar knapp aus: Mit 12:11 Stimmen ging das Turnier nach Deutschland. Entscheidend dabei war der Neuseeländer Dempsey – der eigentlich gegen Deutschland stimmen sollte, sich aber enthielt.“
Weiter heißt es dort: „Wäre die Wahl mit 12:12 ausgegangen, hätte das Votum des FIFA-Chefs doppelt gezählt. Blatter hatte sich bereits im Vorfeld für Südafrika ausgesprochen. Nach dem zweiten Wahlgang, in dem Deutschland und Südafrika jeweils 11 Stimmen auf sich vereinten, wurde das Stimmverhalten jedes Einzelnen offen gelegt. Afrika (vier Vertreter), beide amerikanischen Kontinente (sechs Vertreter) und Blatter votierten für Südafrika, sieben europäische und alle vier asiatischen Vertreter für Deutschland. Der Schotte David H. Will und Dempsey stimmten für England. Nach dem Ausscheiden Englands nach der zweiten Runde hatte Will sich an die Absprachen innerhalb des Europa-Verbandes UEFA gehalten und für die deutsche Kandidatur gestimmt. Dempsey enthielt sich.“