Olympia in Hamburg scheitert an sich selbst

verlierer

Schockiert: Bürgermeister Scholz (SPD), zweite Bürgermeisterin Fegebank (Grüne), DOSB-Chef Hoermann. Alles richtig gemacht mit großen Visionen und beim Hamburger Olympia-Referendum doch verloren. Was ist da passiert?

Die Eliten aus Politik, Unternehmen, Medien und den Spitzenverbänden des Sports sind fassungslos, geschockt. Die Riesen-Chance für Hamburg. Vertan durch die Mehrheit der HamburgerInnen. Sie hatten doch die Super-Argumente, die tollsten Konzepte, – und sind gescheitert. Sie hatten Millionen in die Kampagne Pro-Olympia gesteckt, es gab nur Vorteile für alle, und keine Nachteile. Und sind gescheitert. Die Gründe: Die Fifa, der DFB, die Flüchtlinge – an ihnen selbst, den Verantwortlichen der Kampagne hat es unter keinen Umständen gelegen. Alles am Hamburger Konzept und der Zusammenarbeit war bestens – nur die Weltlage war gegen sie?! Vielleicht aber waren da viele von sich selbst einfach nur zu besoffen? Vielleicht haben die Menschen in den Stadtteilen eine andere Vision von Hamburg, als die Eliten?

Keine Frage: Dieses Nein war so nicht zu erwarten. Aber umgekehrt war es auch kurios, dass sich in den Umfragen so viele HamburgerInnen angeblich eher für die Olympia-Bewerbung ausgesprochen hatten. Immerhin gab es die verheerenden Volksentscheide in Bayern gegen die Winterspiel-Bewerbung von München.

Es werden sicher viele Entscheidungsträger in Hamburger über die Rolle der Handelskammer nachdenken. Sie war es vor allem, die Hamburg zum Jahreswechsel 2014 massiv unter Druck setzte, das Abenteuer Olympia-Bewerbung erneut auf die Tagesordnung zu setzen. Wenige Wochen nach dem Desaster der Olympia-Bewerbung in Bayern und dem Volksentscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“ verlange sie die Bewerbung. Der Fehler Nr.1 und 2: Wieso eigentlich hat die Handelskammer soviel Macht, dass der Senat gehorchte?

Ganz gründlich nachdenken sollte man auch beim Hamburger Abendblatt, Fehler Nr.3:  Das Blatt hat sich wie kein anderes Medium in Hamburg mit einer klaren Ansage des Chefredakteurs in den Dienst der Bewerbung gestellt und trotz aller Konflikte und erkennbarer Probleme, gegenüber dem Ziel – Olympia nach Hamburg zu holen – nie die erforderliche Distanz hinbekommen.

Der Leitartikel zum Wahlergebnis ist ohne einen Funken Selbstreflektion über die eigene Grenzüberschreitung, die das Abendblatt mit dieser Form der direkten Medien-Intervention gemacht hat. Der Blick des Kommentars Richtung Senat lenkt ab, von der eigenen Rolle! Das Abendblatt wollte die Spiele herbeischreiben, und hat versagt! Und es ist Ignoranz gegenüber der Wirklichkeit, wenn Chefredakteuer Haider schreibt: „Sagen wir es, wie es ist: Von außen betrachtet hat sich Deutschland mit Hamburg in einer Form blamiert, wie man es kaum für möglich gehalten hätte – auch wenn der Hauptgrund vermutlich die schwierige Weltlage gewesen ist.“ Erste Frage: Und wie ist es von innen betrachtet? Und zweitens: Nein, nicht Deutschland, sondern das Abendblatt und ein Teil des Journalismus hat sich blamiert!

Dann wären noch andere wirtschaftliche Interessierte wie Otto oder das Miniaturwunderland zu nennen. Überspringen wir das mal ….

und kommen wir zu den Grünen: Im Vorfeld der Bürgerschaftswahlen ein sehr taktisches „Ja, aber“. Danach, als Partner einer SPD im Senat eine zweite Bürgermeisterin, die auf der Präsentation der Hamburger Bewerbung beim DOSB mit einem klaren, eindeutigen und im Grunde bedingungslosem Votum für die Hamburger Bewerbung eintritt. Geradezu symbiotisch die Stellungnahmen der Fraktionsvorsitzenden von SPD und Grünen nach der Entscheidung für Hamburg statt Berlin als deutsche Bewerberstadt. Niemand möge vergessen, dass der DOSB-Geschäftsführer Michael Vesper mal gewichtiger Grüner Minister in NRW war!

Während ein rundes Drittel der Grünen skeptisch bleibt, was die Olympia-Bewerbung angeht, tragen die Spitzen der Grünen alle Entscheidungen mit. Vom fragwürdigen Referendum mit der Verfassungsänderung bis hin zu den Mängeln in der Informationslage zum Referendum. Auch das Nein der Jugendorganisation der Grünen wird galant mit Unterstützung der Medien weitgehend ignoriert. An – vielzuvielen Stellen – sind wir den „Pragmatismus“ der „neuen“ Grünen gewöhnt. Darf man Fragen: Hat das Scheitern personelle Konsequenzen? Ich denke: ja!

Anzunehmen ist, dass in Hamburg der Posten des Innen- und Sportsenators in den nächsten Wochen neu zu besetzen sein wird. Doch die SPD insgesamt muss sich fragen, wie es eigentlich weitergeht. Scholz hat seine zweite Bürgerbefragung in Hamburg verloren. Das lässt sich nicht einfach abtun mit einer „Weltlage“ oder äußeren Einflüssen. An der Seite von Vattenfall hat die SPD den Volksentscheid „Unser Hamburg – unser Netz“ um die Rekommunalisierung der Energienetze verloren. Jetzt die „Vision und Chance für Hamburg“ an der Seite der Handelskammmer, des Otto-Versands und anderer mit dem Olympia-Referendum. Das mag nicht opportun sein, aber: Der Bürgermeister hat ein echtes Problem.

Die nächsten Wochen werden viel Aufarbeitung bedeuten, was da gerade in Hamburg passiert ist. Das umso mehr, weil auch zahlreiche Medienvertreter bemerkt haben: Eine in der breite und mit vielen Organisationen aufgestellte NOlympia-Bewegung gab es in Hamburg nicht. Viele einzelne AktivistInnen, lose vernetzt, mit fast keinem Geld und nicht einmal als wirkliches Bündnis aufgestellt, hat argumentativ und inhaltlich orientiert gegen das Pro-Olympia-Bündnis gehalten. Die Fraktion der Linken war die einzige parlamentarische Kraft, die Nein zu Olympia gesagt hat. Spät haben der BUND Hamburg und einige andere Verbände ihr Nein zum Referendum eher vorsichtig und als Einzelstatement vorgetragen. Eine wirklich identifizierbare, schlagkräftige Bewegung war das sicher nicht. Eher Ausdruck einer „diffusen“ Gegenstimmung.

Aber: Schon das hat am Ende ausgereicht, die Olympia-Bewerbung zu Fall zu bringen. Für die große Politik muss das umso mehr Fragen aufwerfen. Was haben die da oben nicht verstanden?

 

 

8 Gedanken zu „Olympia in Hamburg scheitert an sich selbst

  1. Moin,
    Scholz ist an seiner eigenen Widersprüchlichkeit gescheitert.
    1. Er will Bürgermeister aller Hamburger sein und
    ist Stiefellecker von Vattenfall
    2. Er redet von Klimaschutz aber
    während seiner bisherigen Amtszeit hat sich der Ausstoß von klimaschädlichen Gasen erhöht,
    aber trotz der EU-Interverntion unternimmt der
    Senat nichts gegen den steigenden Gehalt der Luft in
    Hamburg an Feinstaub, SOx und NOx
    Zu allemÜberfluss produziert der Zukunftsrat Hamburg jede Menge Sprechblasen aber kein zukunftsfähige Lösung.
    Ich könnte meine Liste noch fortsetzen, aber ich denke es genügt Olaf Scholz den Rat zu geben: regiere endlich mit den Bürgern und nicht gegen sie im Bündnis mit Vattenfall der Handelskammer und anderen Wirtschaftsunternehmen.
    Martin Schwarz

  2. Pingback: NOlympia-Presseschau für November 2015 » Nolympia

  3. Guten Morgen!

    Hier sind endlich wirklich Gründe für das klare Votum der Hamburger zu lesen! Aber was sind das für Texte! Ihr braucht unbedingt einen Menschend er Euch einen flüssigen und klar strukturierten Text schreibt der als Nachgang für Olympia versendet werden kann denn, und damit trefft Ihr ja den Punkt, es gibt wichtige Gründe die zu diesem Ergebnis geführt haben:

    1. Sport und Korruption
    2. Sport und Doping
    3. Sport und Big Money

    und für Hamburg

    4. Einfluß der Handelskammer und der großen Unternehmen auf die Politik
    5. Abendblatt und Co als Kampagnienreiter statt Berichterstatter
    6. Dito gilt für die öffentlich rechtlichen (nicht so krass aber eben auch)
    7. Die Grünen und ihre innerparteiliche Willensbildung

    Das sind ganz wichtige Ergebnisse die das politishce Leben und die Entwicklung des Sportes verändern können.

  4. Auch wenn Olaf Scholz mit Flüchtlingen nicht so gerne zu tun hat…. auch SIE sind gehören zu Hamburg..

  5. Gratulation von der Nolympia Bewegung aus Berlin.
    mir gelang es die GEW-Berlin in die Ablehnungsfront einzubringen

  6. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mich im Vorfeld des Referendums überhaupt nicht mit den Gegenbewegungen zur Olympia-Bewerbung auseinander gesetzt habe. Ich habe meine Nein-Stimme sehr früh abgegeben (hoch lebe die Briefwahl), vor Paris und was weiß ich noch was für herbeigeredeten Pseudo-Begründungen für das Nein zu Hamburg als Olympia-Stadt. Es war eine reine Bauchentscheidung! Ich glaube unseren Politiker/inne/n einfach kein Wort, wenn sie dermaßen massiv und schönfärberisch versuchen, ein Megaprojekt ungeheuren finanziellen Ausmaßes durchzudrücken, derweil die Elbphilharmonie immer teurer wird, sinnvolle soziale Projekte immer weniger bis gar keine Unterstützung mehr bekommen, Geld an allen Ecken und Enden verschleudert wird, teilweise sogar ganz konkret wider besseres Wissen (!) – wer würde da im Ernst behaupten, das Nein läge an den Flüchtlingen (geht’s noch? Für diese Unterstellung kann man sich doch nur noch in Grund und Boden fremdschämen), den Pariser Mordanschlägen, einer ablehnenden Haltung dem Sport gegenüber (wie bitte?! Wo doch jedes Kind heutzutage weiß, wie wichtig Sport und Fairplay sind?)… damit machen sich unsere Politiker/innen noch mehr zum Obst als vor dem Referendum. Wer sich so weit aus der Realität der „normalen“ Menschen entfernt hat, müsste eigentlich zum Sozialdienst in einem der Hamburger „Brennpunkte“ verdonnert werden. Und aus dem Rathaus ausziehen in ein sehr viel bescheideneres, zweckmäßigeres Umfeld. Wer in diesem Palast residiert, kann ja nur abheben mit der Zeit…

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