„Wie oft habe ich in einzelnen Gesprächen gehört, dass die Menschen zuerst an korrupte Funktionäre und totalitäre Staaten denken, wenn sie Olympia hören. Das ist fatal! Wenn jetzt vom Sportbund mit Hamburg und Berlin die Bewerbung vorangetrieben wird, sollte das nicht über die Köpfe der Menschen und Sportbegeisterten hinweg vorangetrieben werden, sondern von unten, aus der Sportgemeinschaft heraus. Unten von der Basis, von den vielen Ehrenamtlichen und den Vereinen, die das Herzblut des deutschen Sports ausmachen. Diese sollten sagen: ‚Wir wollen mit aller Macht die Spiele!‘. Davon sind wir aber Lichtjahre entfernt. Die Bürger haben nur das Gefühl, dass ihnen die Spiele und die Kosten aufs Auge gedrückt werden und keiner davon profitiert.“
Drehen wir die Zeit ein halbes Jahr zurück. Damals hat man diese kritische Einschätzung auch vom Vorsitzenden des Hamburger Sportbundes (HSB), Günther Ploß, zu hören bekommen. In der Sendung Schalthoff live haben sich alle in der Runde – bis auf Handelskammervertreter Reinhard Wolf – gegen eine Bewerbung für 2024 ausgesprochen. Das Vorpreschen der Handelskammer wurde scharf kritisiert und auch bei der Frage, ob ein Bürgerentscheid zu Olympia überhaupt in so einer kurzen Zeit machbar sei, gab es viele Einwände, besonders von der sportpolitischen Sprecherin der SPD, Juliane Timmermann.
Nur ein knappes halbes Jahr später sitzt ein Olympia2024-Befürworter an der Spitze des HSBs. Wie und mit welchen Positionen es Dr. Jürgen Mantell dort hin geschafft hat, kann man in einem älteren (N)Olympia-Blogeintrag nachlesen. Mantell war vor allem der Wunschkandidat der großen Vereine und Verbände, die sich Mitnahmeeffekte von Olympia versprechen; Der ehemalige Gewerkschaftler Günther Ploß hingegen stand eher dem Hamburger Breitensport nahe. Auch HSB intern wird es zwischen Breitensportbasis und leistungssportorientiertem „Überbau“ sicherlich noch diverse Aussprachen geben. So brodelt es schon jetzt in den Hamburger Sportvereinen, weil die Mitglieder eben nicht „mitgenommen wurden“ auf dem Olympischen Pfad.
Auch auf Parteienbasis hat sich eine weitere Olympia-skeptische Partei geoutet. Die Grünen sind gegen Olympia, zumindest dann, wenn das IOC nicht seine Vergabepraxis ändert. In Bezug auf die Kosten betont Jens Kerstan, der haushaltspolitische Sprecher und Vorsitzende der Grünen Bürgerschaftsfraktion, dass diese genau geprüft werden müssten. Als Entscheidungsgrundlage muss eine wirkliche Machbarkeitsstudie erstellt werden, die offen hält, ob sich Hamburg überhaupt bewirbt oder nicht. Alle Kosten und Fakten müssten vor einem möglichen Bürgerentscheid auf den Tisch. Nachzuhören sind all diese Argumente in der engagierten Bürgerschaftsrede von Jens Kerstan vom 22.5.2014.
In Bezug auf die Kosten empfiehlt Handelskammerchef Mantell mantramäßig den Abschlussbericht des Britischen Organisationskomittees der Londoner Spiele (LOCOG), der allerdings auch in England äußerst umstritten ist, was die einkalkulierten Kosten und die unterstellten Gewinne betrifft, wie die von Bent Flyvberg und Allison Stewart erstellte Studie der Oxford University zeigt.
Trotz grundsätzlicher Skepsis, so ganz wollen die Grünen das Olympia-Türchen aber noch nicht zuschlagen, denn nach der Bürgerschaftswahl ist schließlich vor der Koalitionsverhandlung mit der SPD. Es bleibt also spannend…
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