Im Zentrum der Hamburger Olympiabewerbung steht ein neuer Stadtteil, der auf dem Kleinen Grasbrook entstehen soll. Ein Olympia der kurzen Wege soll es sein und eins, das vor allem den Miet- und Verwertungsdruck auf die Innenstadt enorm erhöhen wird. Was das bedeutet, hat nun perfekt Dankwart Guratzsch in der WELT zusammengefasst: „Auch Hamburgs erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) schwärmt öffentlich von bescheidenen Spielen. Und doch kann ihm zuallerletzt entgangen sein, dass sich sein Projekt von jenem des Erben preußischen Sparsinns in Berlin fundamental unterscheidet. Unter dem Etikett ,bescheiden‘ verbirgt sich nämlich ein Jahrhundertumbau von Deutschlands größter Hafenstadt.“
Wow, besser könnte ich es nicht zusammenfassen! Der Titel des Artikels „Fataler Widerstand der Spießer gegen Großprojekte“ deutet an, dass der Autor diesen großen Wurf nicht negativ findet, ganz im Gegenteil. Es geht um Planungen „für eine nordeuropäische Metropole“, so der Autor weiter. Bei allem Gerede von „hanseatisch bescheidenen Spielen“ muss nun klar werden, was für ein Konzept Hamburg für Olympia 2024 bisher entwickelt hat: nämlich eins, das alles andere als bescheiden ist. Die stadtplanerischen Großvisionen werden im Konzept, das der Senat beim DOSB eingereicht hat, konkret genannt:
„Die Spiele verändern die Stadt. Sie unterstützen die Weiterentwicklung einer modernen und urbanen Metropole. Die Olympischen und Paralympischen Spiele werden durch die Entwicklung des zentralen Olympiageländes auf dem Kleinen Grasbrook und dessen Erschließung für die Hamburger Bevölkerung eine Scharnierfunktion für die Stadtentwicklung übernehmen. Der Kleine Grasbrook verknüpft die südliche Achse und eine der östlichen Achsen. Während das als ,Sprung über die Elbe’ bezeichnete südliche Entwicklungskonzept die Stadtteile Wilhelmsburg, Veddel und Harburg integriert, wendet sich das Konzept ,Stromaufwärts an Elbe und Bille’ den Stadtteilen zwischen Rothenburgsort und Billstedt zu. Die Lage der neuen OlympicCity am Schnittpunkt beider Achsen wird in beide Richtungen Impulse setzen, die den städtebaulichen, landschaftsplanerischen und vor allem sozialen Zielen Hamburgs entsprechen.“
Hier sind nun viele, viele Fragen, die sich mir stellen. Viele davon betreffen die direkte Umsetzung und sie sind eher realpolitischer Natur. Wie wird das Megaprojekt finanziert? Wie soll dies ernsthaft bis 2024 umgesetzt werden? Wohin kommen die zu verlagernden Hafenbetriebe? Ist das bei laufendem Hafenbetrieb logistisch überhaupt machbar? Wie soll die Hamburger Verwaltung dies wuppen, während gleichzeitig die Stadt noch ein paar andere „kleinere Projekte“ wie die Fortsetzung der Hafencity, die Neue Mitte Altona, der Ausbau der A7 inklusive Autobahnüberdeckelung in Bahrenfeld, die Hafenquerspange in Wilhelmsburg, der Neubau der Köhlbrandbrücke, um nur einiges zu nennen. Ich bin hier gerne Spießerin und habe so meine Skepsis bei diesen vielen – ich zitiere noch mal die Welt – „lächerlichen Großprojekten“.
Viel grundlegendere Fragen stellen sich mir, wenn ich mir die Entstehungsgeschichte dieser jetzigen Olympiabewerbung vergegenwärtige. Es ist die Handelskammer, die hier vorgeprescht ist und der SPD-Senat, der hektisch dieses Konzept über den Sommer 2014 zusammengeschustert hat. Angeblich auf Basis der alten Pläne, nur dass die alte Olympia-Pläne von Olympia von der jetzigen Hafencity ausgingen und die Ausgangssituation am Kleinen Grasbrook eine viel schwierigere und unkalkulierbarere ist. Bereits jetzt hat Neumann verkündet, dass die Finanzierung über die Privatisierung des Geländes laufen muss und bei mir bleibt der bittere Eindruck, dass hier ein Konzept verfolgt wird, das sich rein an Investoren- und Wirtschaftsinteressen der Bau- und Tourismusindustrie ausrichtet. Liebe Hamburger/innen, guckt Euch das Olympia-Konzept genau an. Wie würde Hamburg sich als „nordeuropäische Metropole“ aussehen und wäre das eine Stadt, in der Sie leben möchten. Spießige, ja kleinbürgerliche Gedanken sind das, I know, aber brachiale Stadtentwicklungsprogramme gab es schon viel zu oft und die Folgen einer solchen „Umstrukturierung“ sind unkalkulierbar.
Hierzu noch ein paar Texte zum Nachlesen und zur Beschäftigung mit dem Hamburger Konzept:
zur Kostenfalle Mietverträge Kleiner Grasbrook.
zu den möglichen Kosten der Olympischen Spiele;
Zu den Tücken des Hamburger Olympiakonzepts.
Pingback: NOlympia-Presseschau für März 2015 » Nolympia
Ich finde es lustig, wenn man in Hamburg jetzt verspricht, dass für Olympia „Kostenstabil“ gebaut werden soll. Das schafft man in Hamburg ja noch nicht einmal bei dem „Schwachsinnsprojekt“ Elbphilharmonie, wo ursprüngliche Kostenplanungen und Fertigstellungstermine schon lange nur noch Makulatur sind.
Mal abgesehen von der Kostenfrage, die nach Vorlage des entsprechenden Berichts im Sommer sehr genau unter die Lupe zu nehmen sein wird: Was finden Sie denn konkret schlecht an der Idee, seit Jahrzehnten benachteiligte Stadtteile wie z.B. Wilhelmsburg und Veddel näher an die Kernstadt Hamburgs anzubinden und endlich mal näher in den Fokus des Interesses zu rücken? Von einer direkten U-Bahn-Anbindung kann Wilhelmsburg auf den ersten Blick doch nur profitieren, oder nicht? Wo sehen Sie hier konkrete Nachteile bzw. Probleme?
Ich finde es generell wert zu überlegen, was mit dem Kleinen Grasbrook geschehen soll. Ich sehe neben den Kosten ein Problem darin, dass Olympische Spiele einen sehr engen Zeitrahmen festlegen, das Eröffnungsdatum 2024, und dieser Zwangslogik alles untergeordnet werden muss.
Nicht zu vergessen: Olympische Spiele sind ein Sportstättenbauprogramm, kein Wohnungsbauprogramm, wie es der Senat gerne suggeriert. Brauchen wir ein diese überdimensionierte Sportstättenstruktur, die bei (allem Rückbau und aller Nachnutzung) als Olympisches Erbe bestehen bleiben? Die 3.000-6.000 Wohnungen, die nun auf dem Kleinen Grasbrook geschaffen werden sollen, sind Beruhigungspillen. Die Wohnungen könnten mit einem Bruchteil des Gelds einfacher gebaut werden und noch viel mehr. Meine Frage: Braucht es wirklich Olympia, um in dieser Stadt eine soziale und weitsichtige Stadtentwicklung zu machen oder schadet dieses Event einer partizipativen und nachhaltigen Planung? Lasst uns gerne überlegen, was mit dem Kleinen Grasbrook passieren soll. Viele der derzeitigen Pacht- und Mietverträge auf dem Kleinen Grasbrook laufen 2024-2028 regulär aus. Danach könnte die Stadt mit genug Vorlauf planen, was dort geschehen soll – dies ohne das jetzt vorherrschende Druckmittel der Wirtschaft (Wir gehen für Olympia zum Tag X) und ohne teuere Ausgleichszahlungen.
Ich freue mich für Hamburg – hoffentlich gewinnt Hamburg am Ende auch, denn noch ist ja nicht wirklich etwas entschieden.