Mieterverein zu Hamburg: Olympia, die Mieten und der Sport – Es braucht nachhaltigen Nutzen für die Bürger:innen

Gleich vier Bewerbungen sind in Konkurrenz gegeneinander für die Olympische Spiele irgendwann zwischen 2036 und 2044 unterwegs in Deutschland. Millionenbeträge, die die Städte und Regionen vielleicht besser direkt in die Förderung des Breitensports pumpen sollten, statt diese Summen mit guten Chancen sinnlos in Schönheits-Wettbewerbe zu stecken, wer denn im Schritt 1. dem Deutschen Olympischen Sport Bund (DOSB) und im Schritt 2. dem steuerbegünstigten Oligarchenverein IOC am besten gefallen mag – oder eben gar nicht. So oder so: Neben Umwelt- und Nachhaltigkeitsfragen steht für die Betroffenen in den Städten und Regionen auch die Mietenentwicklung im Focus. Klar, dass auch der Mieterverein zu Hamburg sich daher dem Thema annimmt. Jetzt ist ein erster Artikel dazu in deren Journal erschienen. (Foto: Verein)
- In seiner aktuellen Ausgabe hat der Mieterverein zu Hamburg einen Artikel Matthias Greulich veröffentlicht, der hier online ist: „Streit um Olympia an der Elbe„. Mit Erlaubnis des Mietervereins darf FAIRspielen den Artikel hier in voller Länge dokumentieren. Dafür vielen Dank! Das gesamte Mieterjournal ist hier als PDF zu finden.
- VERANSTALTUNGS-Hinweis: Olympische Spiele in Hamburg und ein paar Probleme – Science City – Veranstaltung bei Linksfraktion Altona
Dokumentation/Übernahme von Mieterverein zu Hamburg Nr. 03/2025
Streit um Olympia an der Elbe – Matthias Greulich /
Obwohl die Chancen, die Olympischen Spiele auszurichten gering sind, bewirbt sich Hamburg erneut um das Großevent.
Paul Alauzy sitzt unter dem „Tor zur Welt“, das im Kaisersaal des Rathauses vergoldet von der Decke hängt. Das Hamburger Wappen, hell erleuchtet von den Lampen eines Kronleuchters, steht für die Weltoffenheit einer Stadt, die sich für das größte Sportereignis auf dem Globus bewerben möchte. „Wo andere in der Welt Mauern errichten und Gräben ziehen, wollen wir durch Sport Brücken bauen“, sagt Innensenator Andy Grote (SPD) über mögliche Olympische und Paralympische Spiele 2036, 2040 oder 2044 in Hamburg.
Paul Alauzy aus Paris, wo die Spiele im Sommer des Vorjahres stattfanden, erzählt eine andere Geschichte. „Olympische Spiele bringen etwas Destruktives mit sich“, sagt der Sprecher des Bündnisses „Die andere Seite der Medaille“. Die Bürgerschaftsfraktion der Linken hatte den Aktivisten ins Rathaus eingeladen. „20.000 Menschen sind aus der Stadt vertrieben worden, weil sie das schöne Bild störten“, berichtete Alauzy. Er sprach von „sozialen Säuberungen“.
Anders als in Hamburg geplant, durfte die Bevölkerung in Paris nicht über die Olympiapläne abstimmen. 2015 war der Senat in einem Referendum überraschend gescheitert. Von geschätzten 7,4 Milliarden Euro Gesamtkosten sollte Hamburg bei ungeklärten Finanzzusagen des Bundes 1,2 Milliarden Euro tragen. Dieses Mal will die Stadt die Kosten erneut vor dem für Mai 2026 geplanten Referendum bekanntgeben. „Das Problematische an Olympischen Spielen ist, dass die Gewinne vom Olympischen Komitee (IOC) abgezogen werden. Alle TV-Einnahmen, alle Erlöse aus Sponsoring-Verträgen werden in die Schweiz transferiert. Oft steuervergünstigt. Alles, was an Infrastrukturkosten auf die Stadt zukommt, muss die Stadt selber übernehmen“, so der aus Göttingen angereiste Sportwissenschaftler Benjamin Bendrich im Kaisersaal. Für einige Ausrichterstädte ist in Studien belegt, dass die Mieten gestiegen seien. „In Rio de Janeiro“, so Bendrich, „konnten Teile des Olympischen Dorfes jahrelang nicht vermietet werden, weil die Preise viel zu hoch waren.“ Auch in London koste eine ehemalige Wohnung der Athleten mittlerweile mehr als eine Million Euro.
In Hamburg könne es zu solchen Entwicklungen durch Olympia nicht kommen, entgegnete Grote im NDR. „Die Spiele sind das, was wir daraus machen. Das bedeutet, dass wir eben kein ganz neues Stadtentwicklungsprojekt brauchen – weder einen Olympiapark mit ganz neuen Sportstätten noch ein Olympisches Dorf. Und an diesen Projekten macht sich ja oft das Thema Verdrängung und Mietensteigerung fest. Das wird es alles nicht geben.“ So sei das Olympische Dorf in der Science City Bahrenfeld vorgesehen, die unabhängig von den Spielen gebaut werde. 3.800 Wohnungen sind in den „Quartieren am Volkspark“ auf dem Gelände der Trabrennbahn und den östlich angrenzenden Kleingartenvereinen geplant. Vor Ort macht sich die Initiative „Bahrenfeld auf Trab“ dafür stark, die Grundstücke nur an Genossenschaften, städtische Wohnungsunternehmen und Baugemeinschaften zu vergeben. Die Bezirksversammlung Altona hat mit der Mehrheit von SPD und Grünen empfohlen, den Anteil an geförderten Wohnungen in der Science City auf 50 Prozent festzusetzen. André Stark, Sprecher der Stadtentwicklungsbehörde, geht darauf nicht ein: Es werde eine hohe Durchmischung unterschiedlicher Wohnformen sowie ein großer Anteil an geförderten Wohnungen angestrebt. „Die Wohnungen in den Quartieren am Volkspark sollen daher im bewährten Hamburger Drittelmix entstehen, denn ein hoher Anteil an gefördertem Wohnungsbau sichert bezahlbaren Wohnraum – auch unabhängig von Olympischen Spielen.“
Obwohl das IOC als „Raffzahn-Organisation“ gilt, fällt der Blick auf Olympia seit den Spielen von Paris deutlich milder aus. Dort gab es im vergangenen Sommer ikonische Bilder der Wettkämpfe an den schönsten Orten der Metropole und eine beeindruckende Eröffnungsfeier zu sehen. Senator Grote lobte die Reform-Agenda des IOC, die den Ausrichterstädten mehr Freiraum lasse. Die Kosten für Infrastruktur seien in Hamburg niedriger als 2015, als man mit dem Kleinen Grasbrook einen neuen Stadtteil entwickeln wollte. Dieses Mal seien die meisten Sportstätten bereits vorhanden, nur wenige müssten neu gebaut werden.
Wer die Kosten für das neben dem Volksparkstadion geplante Olympiastadion mit 60.000 Plätzen für die Leichtathletikwettbewerbe übernimmt, ist allerdings nicht ganz klar. Nach den Spielen soll es zu einer Fußball-Arena für den Hamburger SV umgebaut werden und Konzerte, Tagungen sowie andere Veranstaltungen für eine intensive Nutzung sorgen. Für den Senat zählt es aber nicht als Neubau. Es sei ohnehin geplant, weil der HSV sein Stadion jenseits der 2040er-Jahre so teuer sanieren müsse, dass man besser gleich ein neues baue. Im bisherigen Volksparkstadion sind die olympischen Schwimmwettbewerbe geplant. Ob es – was wenig nachhaltig wäre – nach Olympia abgerissen werden soll, ist nicht bekannt.
Der Mieterverein zu Hamburg vertritt den Standpunkt, dass mögliche Spiele tatsächlich einen nachhaltigen Nutzen für die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt bringen müssten. „Es darf keine Schuldenberge geben und auch keine soziale Säuberung wie in Paris. Immerhin wollen wir bis 2030 die Obdachlosigkeit in Hamburg beseitigt haben. Das müsste ja eigentlich auch im Olympia-Konzept des Senats stehen“, so der Vorsitzende Rolf Bosse.
Im Bewerbungskonzept hat Hamburg bislang die Förderung des Breitensports, die Verbesserung der Sportinfrastruktur und den Ausbau der Bewegungsförderung für Kinder in den Mittelpunkt gestellt. Jedes Kind solle möglichst früh ein kostenloses Schwimmlernangebot erhalten und am Ende der Grundschulzeit sicher schwimmen können. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, wenn man mit Vertretern der Sportvereine spricht. „Mindestens zwei Jahre“, so Thorsten Schlicht vom SV Osdorfer Born, „beträgt die Wartezeit für unsere Schwimmkurse, die wir gemeinsam mit dem SV Lurup anbieten. Corona hat es noch schlimmer gemacht. Die Eltern müssten ihre Kinder fast nach der Geburt anmelden, bis man irgendwann drankommt.“ Es fehlt an Bahnenzeiten in öffentlichen Schwimmbädern und ausgebildeten Übungsleitenden. Der Vereinsvorsitzende aus Osdorf sagt, dass „die Informationskampagne zur Bewerbung noch nicht so richtig im Sport angekommen ist“. Für ihn ist allerdings jetzt schon klar: „Ich werde wieder für Olympia in Hamburg stimmen.“
Mehr von und über Benjamin Bendrich auf FAIRspielen.de