Olympische Bewerbung: Risiken und Nebenwirkungen – Eine andere Seite der Medaille!

»Soziale Säuberung«. Das ist der zentrale Begriff für Paul Alauzy mit Blick auf den Zeitraum der unmittelbaren Vorbereitungen zu den Olympischen Spielen in Paris 2024. Am 15. Juli war der Sprecher des Aktionsbündnisses »Le revers de la medaille« aus Anlass der erneuten Olympia-Bewerbung auf Einladung der Linksfraktion Gast einer Podiumsdiskussion im Hamburger Rathaus. Außerdem als Referent dabei: Der Göttinger Sportwissenschaftler Dr. Benjamin Bendrich.(*)
Dieser Text ist zuerst veröffentlicht im der Juli-Ausgabe 2025 des Bürger*innen-Rundbrief der beiden Abgeordneten Jersch und Sudmann von der Linksfraktion in der Bürgerschaft.
- Veranstaltung im Hamburger Rathaus: Olympische Spiele – Die andere Seite der Medaille – Ein anderer Blick auf und aus Paris
- Olympische Spiele – Ein anderer Blick und auf Paris
Mit einem Bündnis aus 100 Initiativen und Organisationen haben viele Aktivist*innen gut ein Jahr vor den Pariser Spielen die »andere Seite der Medaille« zum Thema gemacht: Vertreibungen und Ausgrenzungen von tausenden von Menschen, die nicht in die heile schöne Bilderwelt passen, die Frankreich, Paris und das IOC der Welt vorführen wollten. Darüber berichtete Paul vor den über einhundert Zuhörer*innen.
Statt vieler Wort sorgte ein gut 20 Minuten kurzer Film über die Aktionen, die Räumungen und Vertreibungen für einen nachhaltigen und auch emotionalen Eindruck, was jenseits der bunten Eiffelturmbilder für Menschen in Paris zur grausamen Realität wurde. Bilder, die allzu gern und allzu leicht verdrängt werden. Nicht nur in Paris.
- Soziale Folgen der Olympischen Spiele von IOC und in Paris: Die andere Seite der Medaille. Dieses Video wurde im gut besuchten „Kaisersaal“ des Hamburger Rathauses gezeigt. (Wann eigentlich werden die Räume im Rathaus demokratisiert?) – Siehe hier auf Youtube.
Der linke Bürgerschaftsabgeordnete Martin Wolter, zuständig für Sportpolitik, stellte eingangs noch mal klar, dass niemand etwas gegen Sport und Wettbewerbe habe. Hamburg sei mit Blick auf die vielen Vereinsmitglieder eine sportliche Stadt. Für den Breitensport sei noch »Luft nach oben«, so Wolter. Aber Olympische Spiele würden für den Breitensport in Hamburg kaum größere Impulse bewirken.
Deutlich auch die Kritik des Göttinger Sportwissenschaftlers Dr. Benjamin Bendrich, der sich klar gegen die Bewerbung nicht nur Hamburgs, sondern auch der anderen Städte aussprach: Das IOC sei ein privatwirtschaftliches Unternehmen. Wer die Kosten und Gewinne Olympischer Spiele verstehen will, der sollte wissen: Es gibt zwei Töpfe, die man sich ansehen muss. Die Gewinne der Spiele werden beim IOC privatisiert – die Verluste werden über die öffentlichen Haushalte der Städte und Staaten sozialisiert, also auf die Steuer- zahler*innen abgeladen.
Besonders betonte Bendrich: Von den enormen Summen, die das IOC mit den Spielen über Lizenzen und Sponsoren einnehme, gehe nur der geringste Teil an die eigentlichen Stars der Spiele. Die Athlet*innen seien mit einem Anteil von lediglich ca. vier Prozent beteiligt. Ein erbärmlich kleiner Anteil, wenn man sieht, dass z.B. die Marge bei den Spitzensportlern der Top-Sportarten in den USA bei roundabout 50 Prozent liegt.
- Olympische Spiele sind ein enormes finanzielles Risiko. Sie wurden laut einer Oxford-Studie seit 1988 stets teurer als gedacht – teils über 350 Prozent. Immer zu teuer: Olympia kostet und kostet
- Siehe dazu auch: „Dies sind die teuersten Olympischen Spiele„, schrieb Nina Jerzy in der »Capital« vom 24. Juli 2024, zwei Tage vor der Eröffnung der Olympischen Sommerspiele in Paris.
Bendrich verwies auf Nachfragen der Moderatorin und Co-Vorsitzenden der Linksfraktion, Heike Sudmann, auf die zahlreichen Studien, die aufzeigen, dass es weder eine nachhaltige Zunahme sportlicher Aktivitäten noch die viel gepriesenen und herbeigeredeten Impulse für Infrastruktur und Stadtentwicklung tatsächlich gebe. Auf die Frage, ob Hamburg tatsächlich Einfluss auf das vom IOC vorgelegte Vertragswerk (Host-City-Vertrag) nehmen könnte, stellte Bendrich glasklar fest: Nein. Das IOC setzt die Spielregeln fest!
Was Kosten und Nutzen für das Gemeinwohl angeht, war auch die »Oxford-Olympia-Studie« Thema. In dieser Studie, die die Kostenentwicklung der jeweiligen Olympia-Städte über einen längeren Zeitraum fortschreibend analysiert, wird von Wissenschaftler*innen aufgezeigt, dass die Kosten für die Spiele immer aus dem Ruder laufen. Auch in Paris, wo 2024 ja die Olympischen Spiele stattfanden, für die sich Hamburg 2015 bewerben wollte, ist das so.
Die Kosten für die öffentlichen Haushalte summieren sich inzwischen auf über 6 Mrd. Euro und noch immer hat der französische Rechnungshof nicht den Schlussstrich gezogen. Die Kosten haben sich gegenüber den ersten Planungen mehr als verdoppelt. Dabei sind weitere Kosten, wie z.B. die Umweltsanierung des verdreckten Flusses Seine in Höhe von 1,4 Mrd. Euro im Etat gar nicht enthalten.
Einen wachsenden Kostenfaktor stellt die Sicherheit bei der Durchführung der Spiele dar. In Paris waren nach Angaben von Alauzy und Bendrich insgesamt rund 40.000 Polizist*innen und 20.000 Soldat*innen bzw. Spezialkräfte im Einsatz. Außerdem noch rund 17.000 private Sicherheitskräfte.
Bendrich verwies in diesem Zusammenhang auf eine »Aufrüstung der besonderen Art«, die im Schatten solcher Events wie denen der Olympischen Spiele stattfindet, sei es hinsichtlich von Waffen oder von Fahrzeugen für die Polizei. Viele im Saal erinnerten sich natürlich an den G20 in Hamburg, bei dem die Stadt in den Ausnahmezustand versetzt worden war und nach offiziellen Angaben insgesamt 31.000 Sicherheitskräfte im Einsatz waren.
Natürlich waren auch die Stadion-Neubauten, die Folgen für Verkehr, die Olympic-Lanes und vieles mehr Thema der Veranstaltung. Themen, die die Linksfraktion auch mit Schriftlichen Kleinen Anfragen »betreibt« und schon für einige Medien-Überraschungen gesorgt hat. Ein Beispiel dafür ist das geplante neue Stadion neben dem Volksparkstadion.
Eine Frau im Publikum machte deutlich, wie massiv Olympische Spiele in das Leben der Menschen eingreifen. Schon jetzt steigen Mieten und Preise massiv an. Der Verkehr vor allem in der Innenstadt ist am Limit. Viele werden schon jetzt an den Stadtrand verdrängt und vertrieben. All das werde in Hamburg als Olympia-Stadt noch weiter forciert.
Auch andere Stimmen auf der Veranstaltung waren bemerkenswert: Der Vater eines 5.000-Meter-Läufers und Olympia-Teilnehmers, der daran erinnerte, was Hamburg 2015 alles in Sachen Sport versprochen – und nicht eingehalten habe. Und ein Teenager, der etwas zu erwachsen, aber nicht unberechtigt fragte, was denn nötig wäre, damit die LINKE Olympia unterstützen würde.
Hinweise:
- Die Internetseiten www.nolympia-hamburg.de (Kampagne) und der Blog www.FAIRspielen.de informieren laufend über die Hamburger Olympia-Bewerbung und deren Risiken und Nebenwirkungen, die Linksfraktion unter diesem Link.
- Abendblatt-Artikel: »Olympische Spiele in Deutschland: Was dagegenspricht« – ein Kommentar von Dr. Benjamin Bendrich