Rechte und Ressourcen: Demokratie gibt’s nicht umsonst

Geldautomat-Olympia-HamburgHeftig wird über Volksentscheide von oben gestritten, die mit einer Verfassungsänderung erreicht werden sollen. Das alles angeblich um eine Befragung über die Olympia-Bewerbung durchzuführen. Die Regelungen im Entwurf greifen mit neuen Fristen für Volksinitiativen oder -Begehren ein. Was wenigen nur bekannt und bewußt ist: Diese demokratischen Rechte müssen „teuer erkauft“ werden. Den wer immer diese Instrumente nutzen will, sollte a. organisiert sein, braucht b.  Zugang zu Medien und c. – sehr wesentlich – einen Etat für Öffentlichkeitsarbeit. Es ist das eine, Rechte zu haben. Eine ganz andere Frage ist, über die erforderlichen Ressourcen zu verfügen, um diese Rechte auch zu nutzen. Carola Ensslen, Mitglied im Landesvorstand der Linken, hat dazu einen Artikel verfasst, der sich vor dem Hintergrund der laufenden Debatte mit den materiellen Fragen einer Bürgerbeteiligung befasst.

Wir befinden uns in Hamburg gerade in stürmischen Zeiten. Da wird im Schnellverfahren die Verfassung grundlegend unter dem Vorwand einer  Abstimmung über die Austragung der Olympischen Spiele in Hamburg herbeizuführen. Das sorgt für Unruhe. Gleich zwei Volksinitiativen starten dagegen. Eine dritte Volksinitiative gegen die Olympischen Spiele könnte es außerdem noch geben.

Es gibt viel Kritik, dass die Bürger*innen nun „von oben“ mit einem Referendum über das Großprojekt Olympia „beglückt“ werden. Direkte Demokratie sollte in erster Linie von unten nach oben stattfinden und nicht, wenn es Bürgerschaft und Senat gerade für opportun halten, die Bürger*innen zu befragen. Deshalb formiert sich eine Initiative, die sich das Heft des Handelns nicht aus der Hand nehmen lassen möchte und eine eigene – kritische – Frage stellen möchte.

Das ist auch nach den neuen, noch nicht in Kraft getretenen Vorschriften möglich. Die Frage ist nur, zu welchem Preis. Und das ist durchaus im doppelten Sinn gemeint: Einmal sind die Hürden für eine Gegenvorlage zum Referendum enorm hoch. Zum anderen kostet eine Volksinitiative für Bürger*innen, die sich gegen ein Großprojekt stellen wollen, viel Geld.

  • Hürde Nr. 1: Man sammele bis ca. Mitte Juni 10.000 gültige Unterschriften.
  • Hürde Nr. 2: Man sammele von Ende August bis Mitte September in drei Wochen 65.000 gültige Unterschriften.

Wenn man das geschafft hat, dann kann man seine eigene Fragestellung zu Olympia am 29. November 2015, dem Tag des Referendums, zur Abstimmung stellen.

Hindernis: Kosten für demokratisches Recht

Wer schon mal Unterschriften gesammelt hat, weiß, wie viele Menschen unterwegs sein müssen, um das zu schaffen. Und ohne Plakate, Flyer, Veranstaltungen etc. geht es auch nicht. Alles in allem muss man sicher mit Kosten von einem Euro pro Unterschrift rechnen. Da nicht alle Unterschriften gültig sind, braucht man etwa 100.000 Unterschriften. Es fallen also Kosten von etwa 100.000 Euro an. Schafft man es bis zur Gegenvorlage, fallen weitere Kosten für die Information der Öffentlichkeit an.

Tatsächlich sieht das jetzige Volksabstimmungsgesetz gerade mal eine Kostenerstattung von maximal 40.000 Euro vor. Dies soll auch für Gegenvorlagen gelten. Schafft man es nicht bis zum Volksentscheid oder zur Gegenvorlage, gibt es kein Geld.

Volksinitiativen gehen also ein hohes Kostenrisiko ein. Das traut sich nicht jede*r zu. Direkte Demokratie kann also auch am Geld scheitern.

Bei einem von Bürgerschaft oder Senat eingeleiteten Referendum erscheinen diese Vorgaben besonders ungerecht. Denn sie werden immer die Möglichkeit haben, für ein Referendum die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Der Fairness und „Waffengleichheit“ halber müssten also auch Gegeninitiativen von vornherein finanziell unterstützt werden. Nichts dergleichen ist in den neuen Vorschriften vorgesehen.

Obendrein sind allein die Initiatoren von Gegenvorlagen rechenschaftspflichtig, nicht jedoch Bürgerschaft und Senat. Dies beanstandete die LINKEN-Abgeordnete Christiane Schneider im Verfassungsausschuss, insbesondere auch im Hinblick auf die vorgesehene Evaluation des neuen Instruments „Referendum“.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Andreas Dressel erwiderte sichtlich unvorbereitet auf diesen Einwand, dass man darüber nachdenken könne. Er relativierte seine Äußerung aber sogleich damit, dass sich die Ausgaben von Bürgerschaft und Senat ja aus den Haushaltsplänen herleiten ließen, dass man das im Wege von kleinen Anfragen erfragen könne und dass die Fraktionen ohnehin rechenschaftspflichtig seien.

Nun denn, bürger*innenfreundlich ist das nicht gerade. Es ist ein Unterschied, ob man sich die aus verschiedenen Töpfen stammenden Zahlen zusammensuchen und erfragen muss oder ob sie aufbereitet und dargelegt werden.

Für diejenigen, die es sich nicht zutrauen, über die vielen hohen Hürden zu springen, gibt es schließlich noch einen „Trostpreis“: Wer in den drei Wochen von Ende August bis Mitte September 10.000 gültige Unterschriften gegen Olympia sammelt, der wird in das Informationsheft zur Abstimmung aufgenommen. Dann erhielte der Senat 8 Seiten, 8 Seiten die Fraktionen und 8 Seiten eine Gegeninitiative mit 10.000 Unterschriften und/oder eine Initiative von Gnaden einer 2/3-Mehrheit in der Bürgerschaft.

Ohne eine Gegeninitiative sähe die Darstellung im Informationsheft für Olympia dann wie folgt aus: 8 Seiten pro Olympia vom Senat und mehr als 7 Seiten pro Olympia von den Fraktionen. Denn allein die LINKS-Fraktion richtet sich gegen Olympia und sie erhält entsprechend der Sitzverteilung in der Bürgerschaft nicht einmal eine ganze Seite.

Es ist also dringend notwendig, dass zumindest eine Initiative aus der Bevölkerung noch die Möglichkeit erhält, ihre Position gegen Olympia darzustellen. Auch das Werben um das Erreichen dieser demokratischen Mindestanforderung wird nicht umsonst sein.

Carola Ensslen

2 Gedanken zu „Rechte und Ressourcen: Demokratie gibt’s nicht umsonst

  1. Gibt es schon ein Konto?
    Wenn ja, bitte angeben, wenn nein bitte einrichten,
    eine andere Antwort wird nicht erwartet.

    Gruß Peter

  2. Es ist so geil, wie die SPD sich mit diversen Bürgerbegehren/-entscheiden den A**** abwischt (Zeise-Parkplätze, Beachclub, Isebek, Eidelstedt…) und —gleichzeitig— ihre (extrem steuerfinanzierte) PR-Kampagne zu einem ebensolchen Abschluss führen will…

    Die wollen überhaupt keine Fairness. Ist doch klar. Ich erinnere nur mal an ihre unwürdige Vattenfall-Zuhälterei und „Pressearbeit“ beim Energienetze-Entscheid…

    Braucht nur genug Depp… äh sportbegeisterte Jubelperser der Intellektstufe „Hamburg olé olé“. Schon sind die Genossen „demokratisch legitimiert“ m(

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