Mobilitätskonzept Olympia 2024 lagert weitere Kosten auf Bund & DB aus

Vor zwei Tagen haben Hamburgs Olympiaplaner das Mobilitätskonzept der Spiele vorlegt und der Öffentlichkeit präsentiert. 408 Seiten lang ist das Dokument und den besten Überblick über das, was da auf Hamburg verkehrs- und infrastrukturmäßig zukäme, liefert Radio Hamburg in dem lesenswerten Artikel „Droht Hamburg zu Olympia Verkehrskollaps“.

Ich hab mir mal die Mühe gemacht, das Mobilitäskonzept mit den Informationen, die Hamburg im so genannten Finanzreport zur Verfügung gestellt hat, zu vergleichen. Im Folgenden nehme ich die im Artikel skizzierten Großprojekte und prüfe, ob und wie sie im Finanzreport auftauchen.

Die ganze Stadt eine Baustelle - Hamburg bis 2024 nach den Visionen der Prolympionist/innen.

Die ganze Stadt eine Baustelle – Hamburg bis 2024 nach den Visionen der Prolympionist/innen.

Das Mobilitätskonzept findet sich hier als pdf. Die Zusammenfassung der Ergebnisse sind größtenteils dem Artikel „Droht Hamburg ein Verkehrskollaps“ entnommen. Als Nicht-Verkehrs- und Finanzexpertin freue ich mich über weitere Hinweise und Anregungen, wie die Pläne zu beurteilen sind.

Erweiterung Hauptbahnhof und Bahnhof Harburg
„Für die Spiele soll der Hamburger Hauptbahnhof und die Umgebung um das Gebäude so umgestaltet werden, sodass der Bahnhof die zusätzlichen Besucherströme möglichst leistungsfähig und zuverlässig verkraften kann. Auch der Bahnhof Harburg soll umgestaltet werden, um mehr Reisende abzufertigen.“

Was sagt der Finanzreport?

> Zum Hauptbahnhof finde ich in der Übersicht Mobilität (S. 71) keine Angaben zu den Erweiterungskosten. Vielleicht verstecken sich die ja unter dem Punkt „Eisenbahn“, der mit 114,14 Millionen veranschlagt ist? Diese Summe dürfte beim weitem nicht reichen.

> Zur Erweiterung Bahnhof Harburg: „Für die Maßnahme am Bahnhof Harburg müssen zwei Gleise wiederhergestellt werden. Dafür liegt eine grobe Einschätzung (Kostenidee) der DB vor, die sich auf rund 114,14 Mio. Euro (2024) beläuft.“ (Finanzreport, S. 64)

Bau S4
„Für das Konzept ist der Neubau der S4 nach Bad Oldesloe essentiell und wird von den Planern als „unbedingt erforderlich“ eingestuft.“

Was sagt der Finanzreport?
„Die Vorplanungen sind abgeschlossen, über die Finanzierung müssen sich die Länder Schleswig-Holstein und Hamburg mit dem Bund verständigen.“(S. 69)
> Diese Kosten sind ausgelagert, siehe Mobilitätskonzept, S. 142

Olympiagelände: Haltestelle Elbbrücken
„Man geht davon aus, dass sich rund um das Olympiastadion täglich bis zu 100.000 Menschen aufhalten werden. Durch weite Flächen und zwei zentrale Eingänge zum Kleinen Grasbrook soll eine gefährliche Anhäufung von Menschenmassen vermieden werden. Abgewickelt werden sollen die Besucherströme über die neue S-U4-Haltestelle „Elbbrücken“, die sich derzeit im Bau befindet und die bereits bestehende U4-Haltestelle „Hafencity Universität“.

Was sagt der Finanzreport?
„Größte Kostenpositionen sind die Abstellanlagen für Fahrräder im Nahbereich der Eingänge zu OlympiaCity und allen anderen Sportstätten mit rund 32,18 Mio. Euro (2024), ergänzende Wegeverbindung zwischen S-Bahn-Station ,Elbbrücken‘ und der Elbquerung mit rund 22,61 Mio. Euro (2024). Die Gesamtkosten werden auf rund 123,78 Mio. Euro (2024) geschätzt. (S. 66)
> Die Hauptkosten der Haltestelle Elbbrücken sind aus den Olympiarechnungen ausgenommen, siehe Mobilitätskonzept, S. 142.

Weiterbau der A26, A252
„Der zusätzliche Autoverkehr aus dem Umland soll durch den Ausbau A26 bis Hohen Schaar und die Südanbindung des Veddeler Damms an die A 252 bewältigt werden.“

Was sagt der Finanzreport?
A 26: „Die Trassenführung wurde vom Bund im Jahr 2011 beschlossen. Auf der Grundlage erfolgen derzeit die Entwurfsplanungen für drei Bauabschnitte. Mit der Finanzierungszusage des Bundes könnte das Planfeststellungsverfahren für den ersten Abschnitt noch 2015 beginnen.“ (S. 71).
> Anvisierte Kosten laut Abendblatt: rund 1,25 Milliarden Euro.
A252: Um in dieser Phase eine belastbare Einschätzung der Kosten zu erhalten, wurden das Masterplanungsteam (Arup) und der Erschließungsplaner (Argus) mit einer Machbarkeitsermittlung und über reines Benchmarking hinausgehenden Kostenermittlung beauftragt. Die Kosten für die Südanbindung liegen bei 277,68 Mio. Euro (2024)“ (S. 67)


Bahn, U- und S-Bahnnetze

„Während der Spiele soll es ein deutliches Mehrangebot an Fahrten im Nah-, Regional und Fernverkehr geben. Unter anderem sollen die Bahnhöfe Sternschanze und Landungsbrücken umgestaltet werden.“

Was sagt der Finanzreport?
Auswahl, S. 64: „Allein diese Maßnahmen werden hinsichtlich der Kosten auf rund 76,44 Mio. Euro (2024) geschätzt. Die bedeutendsten Kostenpositionen im Bereich S-Bahn ergeben sich aus infrastrukturellen Anpassungen im S-Bahn-Netz in Höhe von rund 86,00 Mio. Euro (2024). Dafür liegen erste Kostenideen aufgrund von Erfahrungswerten der S-Bahn vor, weitere Prüfungen sind notwendig.“

Alarmierend erscheint mir, welche Posten aus der Olympia-Rechnung rausgenommen wurden, siehe hierzu insbesondere die Seite 142 des Mobilitätskonzepts. Alarmierend deswegen, weil die Umsetzung bis 2024 erfolgen muss, damit das olympische Mobilitätskonzept überhaupt aufgehen kann.

Ausgelagerte Projekte, welche die Grundlage des Mobilitätskonzepts bilden

Hier hat sich die Stadt noch ein paar zusätzliche Milliardenprojekte (S. 142) vorgenommen:
– Verlegung des Fern- und Regionalbahnhofs Altona nach Diebsteich;
> Die als „Jahrhundertprojekt“ bezeichnete Verlegung visiert Kosten für die Deutsche Bahn von 360 Millionen Euro an.
– S1, S11: Neubau S-Bahnhof Ottensen
> grob geschätzte Kosten: 16 Millionen Euro, unklare Finanzierungsaufteilung zwischen Bahn und Stadt.
– S21-Verlängerung bis Kaltenkirchen (ersetzt Linie A1)
> Bisher liegt kein Finanzierungsantrag beim Bund vor.
– S3/S31/S32: Neubau S-Bahnhof Elbbrücken
> anvisierte Kosten: 43 Millionen Euro, plus 9,17 Millionen für die gläserne Fußbrücke.
– S32: Neue HVZ-Linie Elbgaustraße – Hauptbahnhof – Harburg Rathaus;
> eine Kostenkalkulation ist mir nicht bekannt.
– S4: Umstellung auf S-Bahn Betrieb Altona (Neu)–Ahrensburg Gartenholz
> Hier gibt es sowohl Zeitprobleme (Fertigstellung frühstens 2024) als auch jetzt schon eine Kostenexplosion von 630 Millionen Euro auf eine Milliarde.
– U1: Neubau U-Bahnhof Oldenfelde
> Kosten: vor. 14,1 Millionen Euro
– U4: Neubau U-Bahnhof Elbbrücken, die Kosten für das Gesamtprojekt sollen knapp 180 Millionen Euro betragen, von denen der Bund 72 Mio.zahlt.
– U4: Verlängerung HafenCity Universität –Elbbrücken; Kosten: 136 Millionen Euro, davon trägt maximal 70 Millionen Euro der Bund.

Inwiefern die Finanzmittel für diese ausgeklammerten Projekte vorhanden sind und zu welchen Anteilen Bund, Bahn oder Stadt das tragen, das müsste en detail aufgearbeitet werden. Allein die Verlagerung des Bahnhofs Diebsteich ist ein Megaprojekt, wie dieser Spiegelartikel zeigt. Was sich gänzlich nicht im Mobilitätskonzept findet, ist der Neubau und Abriss der Köhlbrandbrücke, der in diesen Zeitraum fallen müsste. Der Zustand der Brücke wird von Sachverständigen schon für den Normalbetrieb als „kritisch“ eingestuft. Kostenpunkt zwischen 700 Millionen und einer Milliarde.

Klar ist, dass Hamburg sich vom Bund & insbesondere von der DB bis 2024 noch weitere gigantische Strukturprojekte finanzieren lassen müsste. Die jetzt im Finanzreport gestellte Olympiarechnung von 6,2 Milliarden Euro ist also nur die Spitze des Eisbergs.

Fazit:
– Die im Finanzreport genannten Kosten sind an vielen Punkten grob geschätzt und unklar.

– Viele Infrastruktur-Projekte, auf denen das Mobilitätskonzept Olympia 2024 basieren, tauchen im Finanzreport nicht als olympiarelevante Kostenfaktoren auf.
Gesetzt den Fall, dass man alle diese Projekte auch ohne Olympische Spiele gemacht hätte (was ich bezweifel), ist nun der elementare Unterschied, dass man aufgrund von Olympia die Zwangssituation hätte, all diese vielen Maßnahmen zeitgleich bis 2024 umsetzen zu müssen. Planänderungen und Reaktionen auf bestehende Finanzlücken, Kostenexplosionen oder geltende Schuldenbremsen wären dann nicht mehr möglich sein.

3) Letztendlich zahlen alle Steuerzahler/innen in Deutschland für Hamburgs Olympiaträume.
Hamburg gönnt sich einen komplettes Infrastrukturlifting für Olympia. Die Gesamtkosten sind völlig unklar. Angesichts dessen stellt sich hier die demokratietheoretisch relevante Frage, warum nicht alle Bürger/innen per Referendum gefragt werden, ob sie olympische Spiele in Deutschland haben und auch bezahlen wollen?

Ein Gedanke zu „Mobilitätskonzept Olympia 2024 lagert weitere Kosten auf Bund & DB aus

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