Der Kaiser ist nackt – Showdown im Kampf der Olympia-Bewerberstädte

Wird Hamburg oder Berlin die deutsche Bewerberstadt für Olympische Sommerspiele 2024? Die letzten zwei Wochen habe ich die Informationen rund ums Thema aus dem Urlaub verfolgt – also mit einer gehörigen Portion Abstand. So von weitem betrachtet ist es putzig, wie sich Berlin und Hamburg einen Schaulauf liefern, wobei eigentlich klar ist, dass beide Städte für 2024 keine Chance haben. Deutschland als Austragungsort der Fußball-EM im gleichen Jahr ist ein Ausknocker und auch die Tatsache, dass mal wieder Spiele in den USA dran wären, zumindest aus Sicht der Hauptsponsoren.

So von weitem betrachtet ist es auch putzig, wie in den Medien Kaffeesatzlesen betrieben wird, ob denn nun Hamburg oder Berlin die Nase vorn hätte – je nach Autorenpräferenz und nach Sitz des jeweiligen Redaktionsorts. Befeuert wurde dies von Sportfunktionären und Sportpromis, die öffentlich die eine oder andere Theorie dazu äußerten, aus der sich die eine oder andere Stadt als Favorit zusammenphantasieren ließ.

Spannend wurde es hier, als der DOSB-Vize Schneeloch aus der Rolle fiel und ins Spiel brachte, dass die ganze Bewerberei um 2024 doch keinen Sinn mache und das ganze Volk aber nicht hören wollte, dass der Kaiser nackt sei, dass also keine deutsche Stadt 2024 die Olympische Fackel tragen wird. Der Volksminister des Inneren rief flux zu mehr Geschlossenheit auf. Wenn alle sagen, dass der Kaiser nackt sei, dann ist das so! Und der Präsident der vereinigten Turner, Mr. Brechtken, mahnte, man müsse doch auch mal „Arsch in der Hose“ haben.

So von weitem betrachtet war auch das Ringen um die Entscheidung putzig: Wer legt fest, welche deutsche Bewerberstadt ins aussichtslose Rennen startet? Wochenlang hieß es, dass eine stichprobenartige Befragung von 1.500 Bewohner/innen in Berlin und Hamburg total wichtig sei. Dann wurde das Ergebnis präsentiert: 64 (Hamburg) zu 55 (Berlin), aber das hieße noch nichts, weil ein ganzer Katalog von Kriterien für die Auswahl eine Rolle spielen solle. Den Kriterienkatalog hatte der DOSB irgendwann rausgerückt, als das Gemecker in der kaffeesatzlesenden Presse zu doll wurde. Auch die Politik hatte sich beschwert, das Ganze gleiche mehr einem Schaulaufen, denn einem abgewogenen Auswahlverfahren. Daraufhin gab es noch mehr Kaffeesatzlesen, denn wie sollen die Kriterien nun gewichtet werden? Sticht die Internationale Wettbewerbsfähigkeit (Hallo Berlin) die besseren Umfragewerte (Hallo Hamburg)? Ist die Unterstützung durch die Wirtschaft (Hallo Hamburg) wichtiger als die Erfahrungen mit Internationalen Großsportevents (Hallo Berlin)?

Spannend wurde es hier, als die GRÜNEN aus der Rolle fielen und ankündigten, dass sie bei der ganzen Intransparenz nun keine Lust mehr hätten, an dem Auswahlverfahren beratend teilzunehmen. In einem Brief an das oberste Olympia-Auswahlgremium, das DOSB-Präsidium, der auch den kaffeesatzlesenden Medien zugespielt wurde, beklagten die GRÜNEN, dass sowohl dem DOSB als auch den beiden miteinander ringenden Städte die Grundeinstellung fehle, dass nur „Transparenz und eine proaktive Öffentlichkeitsarbeit die Bevölkerung für eine Olympiabewerbung überzeugen und begeistern werde“. Fehlende Beteiligung, nicht nachvollziehbare Kriterien und mangelndes Verständnis von Nachhaltigkeit – diese Kritikpunkte hat auch Transparency International am Auswahlverfahren, die aber dennoch in der illustren Runde derjenigen, die was zu Hamburg oder Berlin sagen, dabei bleiben will.

Dabei sein ist alles und mitreden wollen trotz Absage der GRÜNEN viele. Bleibt auch zwei Tage vor der Entscheidung die Frage: Wer entscheidet’s denn nun? Da gibt es das Präsidium des DOSB, das das Zepter in der Hand halten soll und dazu zehn Hauptkritierien befragt. Eine von denen waren so ehrlich, ihre Befangenheit für Berlin zu nennen und von der Abstimmung abzusehen. Auch der deutsche IOC-Chef Thomas Bach enthält sich der Stimme, schließlich will er später noch jeden so aussichtslosen deutschen Kandidat durchs Olympische Dorf jagen können. Auch über die restlichen acht Präsidumsmitglieder gibt es – wenn man will – jede Menge zu spekulieren: Ist der Hamburger Wohnsitz des einen eine Beeinträchtigung seiner Objektivität? Deutet die Mitgliedschaft in einem Berlin befürwortenden Verband des anderen auf eine Tendenz zur Hauptstadt?

NOlympia Hamburg weiß es auch nicht und stochert wie so viele im olympischen Nachrichtenbrei. Am Montag soll es denn so weit sein und das nervige Dauercasting zwischen Berlin und Hamburg findet ein Ende. Das Präsidium will d e f i n i t i v am Montag eine Empfehlung geben, zumindest wird es so verlautbart. Wen das Präsidium empfiehlt, den küren dann wohl auch die Mitglieder am 21. März in der Paulskirche zum Sieger. Schönes Symbol, die Paulskirche, für ein reines Abnickritual.

Am morgigen Sonntag tagt vorab – und auch dies ist im Auswahlprocedere neu – der DOSB mit den Vertretern der Sportverbände, die – so munkelt man – mehrheitlich für Berlin sein sollen, weil Berlin mehr sportliche Infrastruktur und Erfahrungen zu bieten hat. Die Spitzenverbände werden jedenfalls morgen in einer Abstimmung ihr Votum für die eine oder andere Stadt geben. Ob das nun wohl das ausschlaggebende Kriterium sein wird? Wir wissen es nicht und warten gespannt auf den weißen Rauch, der am Montag vom DOSB-Präsidium aufsteigen wird.

5 Gedanken zu „Der Kaiser ist nackt – Showdown im Kampf der Olympia-Bewerberstädte

  1. Typisch Deutschland. Immer gegen etwas als dafür….
    NOlympia go home!
    Aber vermutlich wird dieser Kommentar von NOlympia zensiert und nicht veröffentlicht..,

  2. Pingback: NOlympia-Presseschau für März 2015 » Nolympia

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